Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Jukebox-Mann

Der Jukebox-Mann

Titel: Der Jukebox-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
Vom Netzwerk:
der Welt gab.
    »Nein, Seved hat nicht dort gearbeitet. Nicht direkt.«
    »Was war denn sein Beruf?«
    »Er fuhr zur See«, sagte Johnny. »Er ist Seemann geworden.«
    »Möchtest du deswegen das Meer sehen? Weil dein Bruder zur See gefahren ist?«
    »Ja … ich möchte das Meer sehen, weil es groß ist. Man kann nicht bis zum Ende sehen.«
    »Ist er in Amerika gewesen?«
    »Er war überall auf der Welt, glaube ich, außer in Australien.«
    »Was macht er denn jetzt?«
    »Ich weiß es nicht, Lennart. Wir haben uns schon eine ganze Weile … nicht mehr getroffen.«
    »Und warum nicht?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Hast du keine Briefe bekommen?«
    »Schon lange nicht mehr.«
    »Wie lange nicht?«
    »Fünf Jahre.«
    »Oh.«
    Es war viele Jahre her, seit Johnny zuletzt eine Nachricht von Seved bekommen hatte, einige Zeilen, in Eile und Zorn an Bord hingekritzelt. Auf dem Papier waren Ölflecken. Nach all den Jahren roch es immer noch nach Öl. Johnny hatte den Brief vor zwei Wochen hervorgenommen und wieder die Flecken gezählt und den Geruch vom Maschinenraum eingesogen.
    War es Zorn? Zunächst hatte er das geglaubt, jahrelang. Jetzt war er nicht mehr sicher. Er hatte Seveds Brief niemandem gezeigt. Vielleicht war das falsch.
    »Ist er lange hier gewesen?«, fragte Lennart.
    »Hier zu Hause?«
    Der Junge nickte.
    »Auch das weiß ich nicht. Vielleicht. Vielleicht ist er im Augenblick sogar hier.«
    »Wollt ihr euch dann nicht treffen?«
    »Darauf habe ich keine Antwort, Lennart.«
    Sie kamen an der Kirche vorbei. Dreihundert Meter entfernt sah er das Wirtshaus. Er beugte sich vor und schaltete das Autoradio an. Sie gerieten mitten in die Nachrichten:
    Die großen Schwarzenorganisationen in den USA hatten an die Demonstranten appelliert, die Proteste vor der Präsidentenwahl einzustellen.
    »Was bedeutet appellieren?«, fragte Lennart.
    »Ich weiß es nicht.« Johnny bog vom Weg ab und parkte vorm Wirtshaus. »So was lernt man in der Realschule.«
    »Ich kann ja in einem Nachschlagewerk nachgucken«, sagte Lennart. »Mama hat gesagt, wir kaufen eins.«
     
    In Stewes Bar saßen zwei Gäste. Die Jukebox war stumm. Stewe hob grüßend die Hand, als Lennart und Johnny hereinkamen. Johnny stellte Lennart vor und nickte zur Wurlitzer.
    »Da hast du ihn, deinen gleichaltrigen Freund.«
    »Noch ein Elfjähriger«, sagte Lennart.
    »Geh hin und sag deinem Kumpel guten Tag.«
    Lennart lächelte.
    »Vielleicht möchte er ein bisschen spielen?« Er sah Johnny an. »Wie heißt er?« Lennart guckte zur Jukebox.
    »Wie weißt du übrigens, dass es ein Er ist?«
    »Gute Frage, Junge«, sagte Stewe.
    »Das erkennt man an der blauen Farbe«, erklärte Johnny.
    »Erinnerst du dich nicht an deine Gesichtsfarbe von vorhin?«
    Lennart ging zur Box und drehte sich um.
    »Ich hab gefragt, wie er heißt.«
    »Wurlitzer 1600 AF«, sagte Johnny. »Er spielt achtundvierzig Plattenseiten.«
    »Vierundzwanzig Platten«, sagte Stewe. »Das reicht.«
    »Guck mal, wir sind gleich groß!« Lennart hatte sich neben die Box gestellt.
    Das stimmte nicht ganz, aber in einem Jahr würde Lennart die Box überragen.
    »Hundertdreiundvierzig Zentimeter«, sagte Johnny. Er machte einen Schritt auf die Box und Lennart zu. »Bald wiegst du auch genauso viel wie die Box. Hundersiebenundsechzig Kilo.«
    Lennart lachte.
    »Dann will ich mal gleich was Gutes zu essen holen«, sagte Stewe, »sonst schaffst du das Gewicht nicht. Was möchtest du haben?«
    »Hm …«
    »Im Esssaal oben gab’s Baisers mit Sahne und Schokoladensoße. Davon ist bestimmt noch was übrig.«
    Stewe verließ rasch die Bar. Sie hörten ihn die Treppe zum Restaurant des Wirtshauses hinaufpoltern.
    »Wie gefällt dir dein Freund Wurlitzer?«, fragte Johnny.
    »Tja …«
    »Ist er nicht hübsch?«
    Die Box war auf altmodische Weise schön. Rot, blau, die Tasten rot und die Titelstreifen von derselben blassen roten Farbe eingerahmt. Die Front war golden und umgeben von einem Notenmuster, das in das wogende Blau, Rot und Weiß hineingemalt worden war. Der Mechanismus durch eine Öffnung zu sehen. Und der Ton war gut.
    »Du vergleichst ihn wohl gerade mit der Box in Lisas Café, wie?«
    »Ja …«
    »Die bei Lisas stammt aus derselben Familie«, sagte Johnny, »aber sie ist jünger, von sechsundfünfzig, drei Jahre jünger als du.«
    »Ein I-Dötzchen also«, sagte Lennart. »Aber wir sind immerhin Brüder.«
    Johnny antwortete nicht. Lennart zeigte auf die Box.
    »Dieselbe Familie, hast du ja

Weitere Kostenlose Bücher