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Der Jukebox-Mann

Der Jukebox-Mann

Titel: Der Jukebox-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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andere Richtung. »Ich bin mehr als fünfzehn Jahre älter als du und träume immer noch davon, wegzugehen. Du hast also noch genügend Zeit vor dir.«
    »Ich will nicht warten …« Sie brach mitten im Satz ab.
    »Du willst nicht so lange warten? Nein. Das ist gut.« Er drückte seine Zigarette aus und kippte den Rest Kaffee in einem Schluck hinunter. »Und ich glaube, dass du England sehen wirst. Und noch mehr.«
    Sie antwortete nicht. Er lächelte wieder, die Kaffeetasse in der Hand.
    »Jukeboxen in Amerika zu betreiben, das muss doch lohnender sein als hier?«, fragte sie nach einer Weile.
    »Die Konkurrenz ist härter«, sagte er. »Und vermutlich braucht man eine Menge Extra-Genehmigungen.«
    »Dann fahr hin und beschaff sie dir«, sagte sie. Sie berät und ermuntert mich, dachte er. Jetzt ist sie es, die zuhört. Sehe ich so verzweifelt aus?
     
    Er verließ den Ort auf demselben Weg, auf dem er gekommen war, an der Kirche und der Tankstelle vorbei. Die flammte nicht mehr im feurigen Abendlicht. Dies war nicht seine Gegend, aber dort, wo er jetzt wohnte, sah es genauso aus. Oder wo er seine Werkstatt hatte. Die Landschaft änderte sich erst unten bei den großen Ebenen im Süden, dort war man gewissermaßen in einem anderen Land, dort war der Dialekt so anders, dass man Zeichensprache zu Hilfe nehmen musste. Er hatte an dem großen Sund gestanden, aber auf der anderen Seite war kein Meer zu sehen. Auch oben in der Hauptstadt sah man kein Meer. Wasser, aber kein Meer. Das Meer war weiter westwärts.
    Auf der schnurgeraden Straße durch das Moor dachte er an das Mädchen, Barbro. Sie hatte souverän gewirkt, so, als sei es noch nicht so eilig mit der Reise. Als ob sie wüsste, dass sie es schaffen würde, und die Gewissheit gab ihr Kraft, sich seiner zu erbarmen. Ja. Sie hatte es gesehen. Wusste sie es? Sie wusste vermutlich gar nichts. Man musste nichts wissen. Es war einfach zu sehen.
    Die schnurgerade Straße war lang. Er hätte eine Weile am Steuer schlafen können. Er brauchte Schlaf. Die vielen Nächte, in denen es spät geworden war, hatten seinen Schlaf durcheinander gebracht, er fand nicht einmal Ruhe, wenn er ihn suchte. Auf dem Philipsspieler unter dem Armaturenbrett drehte sich eine Platte von Elvis. Der Lautsprecher im Auto war nicht der Stärkste, und Elvis’ Stimme klang schwach. Er öffnete das Fenster, durchdringende Gerüche strömten herein. Wenn die Sonne versank, setzten die Moore Feuchtigkeit und Düfte frei und ihm war, als senke sich alles über ihn. Er fuhr an den Straßenrand, hielt an, stieg aus und zündete sich eine Zigarette an. Es war ganz still. Elvis hatte aufgehört zu singen. Kein Lufthauch rührte sich. Dann hörte er den Schrei eines Tieres. Er wiederholte sich, und Johnny dachte, es könnte ein großer Vogel sein. Er hörte Schritte im Moor, vielleicht weit entfernt, vielleicht ein Jäger. Dann war es wieder lange still. Auf der Straße waren keine Autos unterwegs, und über ihm gab es keine elektrische Beleuchtung, kein menschliches Licht, kein Neon. Plötzlich war er allein auf der ganzen Welt. Er brauchte nirgendwohin mehr zu reisen.
     
    Er parkte das Auto, stieg aus, sein Körper war steif. Er streckte die Arme über den Kopf und senkte sie wieder. Er dachte an das Gespräch mit dem Mädchen, Barbro. Sie würde etwas anderes zu sehen bekommen als das, was er jetzt um sich herum sah. Sie hatte vielleicht Recht, vielleicht musste sie richtig abhauen, nicht nur einfach wegfahren.
    Der Kiosk an der Ecke des Marktplatzes begann im frühen Abendlicht zu leuchten. Er sah aus wie eine AMI-Box. Er meinte eine Silhouette vor der Luke zu sehen. Irgendetwas lebte hier immerhin noch.
    »‘n Abend, Bergman«, sagte die Silhouette, als er die Luke erreichte. Kalle Hörkell hatte es schon immer hier gegeben, niemand wusste, wer zuerst da gewesen war, Kalle oder der Kiosk. Hörkell wedelte mit einer behandschuhten Hand. Er trug immer weiße Handschuhe, hatte jedoch nie erklärt, warum. Johnny hatte ihn auch nicht gefragt, nicht mal versucht, es zu erraten. Vielleicht ein Ekzem oder eine ungewöhnlich sorgfältige Hygiene. Hörkell verkaufte Zeitungen, Tabak und Süßigkeiten, aber auch Würstchen mit Kartoffelmus. »Darf’s eine Wurst sein, Bergman? Gegrillt?«
    »Warum nicht.«
    »Kartoffelmus?«
    »Ja, gerne. Eine Portion genügt.«
    »Ich habe gerade frisches gekocht«, sagte Hörkell.
    An der Seite des Kiosks hing ein Schild, es ragte fünf Zentimeter über den Giebel hinaus. Mit

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