Der Jukebox-Mann
großen Buchstaben hatte Hörkell einmal ECHTES MUS darauf geschrieben, aber ein Spaßvogel hatte ECHTE MAUS draus gemacht, und so stand es immer noch da. Weder Johnny noch Hörkell hatten den Witz begriffen, aber Hörkell hatte es stehen lassen. Irgendjemanden wird das schon anlocken, hatte er gesagt. Aber wozu?, hatte Johnny gefragt.
»Mit Gurken und Preiselbeeren?«, erkundigte sich Hörkell. »Das Würstchen in einem Brötchen?«
»Wie immer, Kalle.«
»Also scharfer Senf, nicht?«
Johnny nickte. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, wie eine Seite des Svenska Dagbladet über den Marktplatz geweht wurde. Die Räume der Skånska Banken auf der anderen Seite des Platzes lagen im Schatten einer großen Eiche, als ob das Gebäude sich verstecken wollte. Das Schild war dunkel. Vor einigen Jahren hatte hier ein Raubüberfall stattgefunden, oder besser ein Einbruch. Für den Ort war das ein riesiges Ereignis gewesen. Es hatte im Dagbladet gestanden. Dreißig Kilometer weiter südlich hatten die Räuber das Auto stehen lassen. Es war ein Volvo PV gewesen. An der Landesgrenze waren sie in einem Saab geschnappt worden. Warum haben sie die Automarke gewechselt?, hatte Hörkell gefragt. Das Auto zu wechseln ist das eine, aber gleich die Marke?
Er bekam sein Essen auf einem Pappteller serviert. Hörkell hatte die Beilagen hübsch zu beiden Seiten der Muskugel drapiert, die er etwas flach gedrückt hatte. Darunter ragten die Würstchenenden hervor, beide waren leicht angebrannt.
Er ging am Beerdigungsinstitut vorbei und betrat Ljungs Café, das Wand an Wand mit dem Institut lag. Es bimmelte, als er die Tür öffnete. Der Laden war leer, und er konnte auch niemanden im Café entdecken. In der Küche hörte er Wasser laufen. Er spürte einen Lufthauch im Nacken. Der stieß die Schwingtür zur Küche auf.
Erik Ljung tauchte in der Türöffnung auf. Er trug einen Anzug, elegant wie immer.
»Mach bitte die Tür zu, Bergman, es zieht.«
Johnny schloss die Tür zur Straße und nickte zum Café.
»Ruhiger Abend.«
»Es ist zu windig. Die Leute trauen sich nicht raus.«
»Und keiner spielt Musik«, sagte Johnny.
Das kommentierte Ljung nicht.
»Es ist nichts los«, stellte Johnny fest und dachte an das Mädchen, Barbro. Sie wohnte in der Stille, und alle anderen hier wohnten auch in der Stille.
»Genau«, antwortete Ljung mit einem Gesichtsausdruck, den Johnny nicht kannte. Ljungs Augen schienen irgendwo anders zu sein, in einem anderen Raum.
»Was?«
»Niemand lässt die Jukebox spielen.« Ljung machte eine hilflose Geste. Vielleicht war er verlegen. In seinem Gesicht war immer noch dieser merkwürdige Ausdruck. »Es gibt Leute, die sich beklagen.«
»Das musst du mir wohl erklären, Ljung.«
»Sie beschweren sich über die Musik.«
»Wer?«
»Gäste. Die Cafégäste.«
»Wenn keiner was spielt, dann kapier ich nicht, worüber sie sich beklagen«, sagte Johnny.
»Wenn jemand was spielt«, erklärte Ljung. »Die Leute wollen … in Ruhe essen.«
»Die Leute? Wer denn?«
Johnny zeigte in den Caféraum. Er war leer.
»Die … anderen. Nicht die Jugendlichen.«
»Was willst du mir damit sagen, Ljung? Worauf willst du hinaus?«
Ljung schien an etwas Unangenehmem zu kauen. Er räusperte sich. Auf seiner Stirn war ein Schweißtropfen, aber der konnte auch von der Backofenwärme in der Bäckerei kommen.
»Und … Geld bringt es auch nicht mehr«, fuhr er fort.
»Hast du Kassensturz gemacht?«, fragte Johnny.
»Du hast doch den Kassenschlüssel«, sagte Ljung.
»Der scheint ja nicht nötig zu sein.«
»Du weißt, was ich meine, Bergman.« Wieder räusperte sich Ljung. »Die Geschäfte gehen nicht mehr so gut.«
»Gut oder nicht, du kriegst immer noch dreißig Prozent.«
»Es ist nicht gut … wenn die Leute sich beschweren. Das ist es nicht wert … die paar Kronen mehr.«
»Sollen wir die Musik auswechseln? Wir können diesen Monat Glenn Miller und Bing Crosby einlegen. Sinatra. Siw Malmkvist? Und die Vierunddreißig und Fiedel-Olle hast du ja schon.«
»Dann bleiben die Jugendlichen weg.«
»Was zum TEUFEL willst du denn, Ljung?«
Ljung murmelte Unverständliches.
»Was hast du gesagt?«
»Es hat keinen Zweck mehr, egal, was man tut. Das siehst du doch selber.«
»Das Einzige, was ich sehe, ist jemand, der keine Geschäfte mehr machen will«, sagte Johnny. »Der nicht zusammenarbeiten will. Der nicht … zusammenhalten will.«
Jetzt spürte er das Gewicht der Plattentasche in seiner Hand, ein
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