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Der Jukebox-Mann

Der Jukebox-Mann

Titel: Der Jukebox-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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du reinfahren und dich nähen lassen, Bosse?«
    »Äh … was?«
    »Das Kinn«, sagte Johnny. »Dir das Kinn flicken lassen.«
    »Mir das Maul zusammennähen lassen wie du, Bergman?«
    »Was meinst du denn damit?«
    »Du hast deinen Hintern im Gesicht, Bergman«, sagte Bosse und hoppelte über die Kreuzung.
    Hintern im Gesicht, dachte Johnny. Das wär was für Ljung.
    »Da wohnt er.« Bosse nickte nach links. Sie bogen in eine Allee ein und fuhren auf eine Ansammlung von gelben Holzgebäuden zu, die so nah beieinander lagen, dass die gesamte Anlage an ein Schloss erinnerte.
    »Das ist ja das alte Arzthaus«, sagte Johnny. »Hat er das Sanatorium dazugekauft?«
    »Er ist wahnsinnig reich, sagen sie.«
    »Du kannst mich hier rauslassen, Bosse.«
    »Wir sind doch fast da.«
    »Ich kenne ihn nicht«, sagte Johnny. »Dies ist dein Job. Ich geh zu Fuß nach Hause. Es ist ein schöner Abend.«
    »Es ist Nacht«, sagte Bosse Kula.
    »Es ist eine schöne Nacht«, sagte Johnny.
    »Wie du willst«, sagte Bosse Kula und trat voll auf die Bremse. Der Buick rutschte zwanzig Meter über den Schotter durch die Allee und hinterließ Bremsspuren wie ein Traktor. Soweit Johnny sehen konnte, war kein Fenster des Sanatoriums erleuchtet. Die Gebäude standen seit einem Jahr leer. Die Luft war unverändert gesund in dieser Gegend, aber die Krankenhäuser in der Stadt schickten ihre Lungenkranken nicht mehr hierher. Vielleicht war die Lungenkrankheit ausgerottet. Das hätte ruhig eher passieren können. Seine Mutter war daran gestorben. Sie hatte nie hier gelegen, er wusste nicht, ob es zu der Zeit schon ein Sanatorium gewesen war. Aber er wusste, dass sie Blut gehustet hatte. Das war eine seiner frühesten Erinnerungen. Sie hatte ein rotes Kleid getragen.
     
    Auf halbem Weg nach Hause wurde ihm klar, dass Bosse von der Lönnborgresidenz auch zu Fuß nach Hause gehen musste. Sie hätten zusammen durch die Stadt zurückgehen können. Aber er war nicht sicher, ob Bosse scharf auf seine Gesellschaft war. Er war nicht der Typ, der eine andere Gesellschaft brauchte als die der Karre, an der er gerade werkelte.
    Johnny überquerte den Marktplatz. Die Neonröhren am Würstchenstand leuchteten noch, obwohl es schon spät war, und als er um die Ecke bog, sah er eine Person dort drinnen, einen dunklen Kopf und einen weißen Mantel, der im Licht der Leuchtstoffröhren sauber wirkte. Johnny sah auf seine Armbanduhr, es war nach elf.
    Die Frau im Kiosk hatte ein Gesicht, an das er sich erinnern würde, wenn er sie einmal wiedersähe. Es war gleichzeitig blass und dunkel. Sie war eine Fremde für ihn, und er dachte, sie müsste aus einem anderen Land im Süden kommen. Jetzt verkaufte sie hier Würstchen. Auf dem Marktplatz waren keine Autos und vor dem Kiosk keine Kunden. Deswegen wirkte es sonderbar, dass sie noch geöffnet hatte. Wenn sie überhaupt geöffnet hatte. Vielleicht hatte sie geschlossen und war nur noch nicht gegangen. Aber die Glasluke war offen.
    Er hatte plötzlich Hunger.
    »Gibt’s noch ein paar Würstchen?«, fragte er.
    Sie hatte ihn schon kommen sehen. Ihre Augen wirkten müde. In ihrem Blick lag eine Schwere, als ob sie etwas in ihrem Inneren bedrückte.
    »Nur ein paar angebrannte«, sagte sie. »Ich will gerade schließen.«
    »Wie sehr angebrannt?« Er lächelte.
    »So verbrannt, dass nicht mal die Jungs sie haben wollten«, antwortete sie.
    Er verstand, was sie meinte. Abends fragten die Zehnjährigen des Ortes nach verbrannten Würstchen mit Brot für fünfzig Öre, manchmal fünfundzwanzig Öre. Das Verkohlte machte ihnen nichts aus. Wenn die Clique die Würstchen abgelehnt hatte, mussten sie wirklich sehr verbrannt sein.
    Sie hielt ein Würstchen mit der Zange hoch. Es war kohlrabenschwarz.
    »Dann verzichte ich doch lieber«, sagte er.
    »Aber ich hab noch ein bisschen Mus«, entgegnete sie.
    »Es ist noch warm.«
    »Ich nehm ein paar Löffel«, sagte er, »mit Gurke und Preiselbeeren.«
    »Auf einem Pappteller?«
    »Lieber mit einem Stück Brot.«
    Ein Halbstarkenauto fuhr vorbei, während sie die Portion vorbereitete, es klang wie ein schlecht behandeltes Chevrolet Sports Coupé. Er wusste es, ohne hinzusehen. Jemand aus dem Auto pfiff schrill. Das Pfeifen folgte dem Chevrolet, der in westliche Richtung davonröhrte.
    »Vielleicht hatten die auch Hunger«, sagte er, als er das Mus entgegennahm.
    »Ich mag sie nicht«, antwortete sie.
    »Och, die sind ganz harmlos.«
    »Es ist ein bösartiges Auto«, sagte sie, und er

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