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Der Junge aus dem Meer - Roman

Der Junge aus dem Meer - Roman

Titel: Der Junge aus dem Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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hatte ich seine Theorie als Unsinn abgetan, doch nun schien es mir nicht mehr so weit hergeholt, dass unsere Mutter Gedanken lesen konnte.
    »Ja, allein«, log ich wieder. Irgendwie gewöhnte ich mich daran.
    »Wo hast du das Sweatshirt her?«, fragte Mom und hob ihr Kinn.
    Natürlich.
    Mein Innerstes verkrampfte sich.
    »Ich hab’s gekauft«, erwiderte ich. War das etwa ein neues Talent?
    Mom seufzte und lief mit ruhigen Schritten durch den engen Flur. »Ich weiß, ich weiß«, sagte sie und schüttelte den Kopf. Sie schien mit sich selbst zu reden. »Es ist ganz normal für ein Kind, eine rebellische Phase zu durchlaufen. Die deines Bruders scheint ein ganzes Leben lang anzuhalten. Aber irgendwie hatte ich immer geglaubt, du würdest deine umgehen.«
    »Ich bin nicht rebellisch!«, heulte ich und zwang mich, nicht an meine Unterhaltung mit Leo zu denken. Ich zog den Reißverschluss seiner Kapuzenjacke auf und warf sie auf den klauenbeinigen Stuhl in der Ecke.
    »Ach nein?« Mom wirbelte herum und blickte mich an. »Und wie würdest du es dann nennen, grundlos zu verschwinden – noch dazu unsere Unterhaltung abzubrechen – und dich dann ohne einen Piep für die nächsten zwei Stunden in Luft aufzulösen?«
    »Ich hatte mein Handy nicht dabei«, sagte ich und verdrehte meine feuchten Hände hinter dem Rücken.
    Mom hörte auf herumzulaufen und rieb sich die Schläfen. »Miranda, ich hab dich gebeten, mit mir nach Selkie Island zu kommen, damit du mir hilfst. Ich bin davon ausgegangen, dass du die einzige Person bist, die nicht über Gebühr an meinen Nerven zerrt. Aber jetzt bist du diejenige, die mir den größten Stress verursacht!« Ihre Stimme klang wie ein Echo durch das Haus.
    »Na, du kannst dich doch Delilah anvertrauen«, blaffteich zurück und war überrascht, wie sehr Moms Worte mich verletzt hatten. »Wo ihr doch jetzt so enge Freundinnen seid.« Mir fiel wieder ein, wie sie mit ihren zueinander passenden Kopfbedeckungen nebeneinander am Strand gelegen hatten. »Ich dachte, sie würde dir auf die Nerven gehen.«
    »Wie bitte?«, fauchte Mom völlig perplex. »Es steht dir in keiner Weise zu, zu kommentieren oder zu beurteilen, wenn und wie ich wieder Kontakt zu alten Freunden aufnehme.«
    »Wie Mr. Illingworth?«, schoss ich zurück.
    Mom starrte mich an. Ihr Gesichtsausdruck hatte einen seltsam triumphierenden Zug angenommen. »Ach, darum geht es hier, oder was? Der Besuch von Mr. Illingworth und T. J.?«
    »Nein. Ach, was auch immer.« Ich fühlte mich ausgelaugt. Im Augenblick wollte ich nur noch ein heißes Bad und mich dann damit beschäftigen, Leo zu vergessen. »Du hast doch selbst gesagt, dass die Bekanntschaft zwischen dir und Mr. Illingworth keine große Sache war. Wieso müssen wir das jetzt sezieren?«
Kannst du nicht einmal aufhören, Chirurgin zu sein,
fügte ich im Stillen hinzu.
    Mom holte tief Luft und drückte ihre Handflächen zusammen. Ihr Gesicht war fleckig geworden. »Miranda, es gibt da etwas, das du wissen solltest.«
    Ich bekam es mit der Angst zu tun. »Mom …«, setzte ich an.
    »Mr. Illingworth und ich waren nicht nur einfach Bekannte«, sagte Mom und blickte mich direkt an, während ihr Gesicht immer fleckiger wurde. »Als ich achtzehn war, haben wir uns verlobt und wollten heiraten.«
    Es war ein Gefühl, als ob alle Kraft plötzlich aus mir entwich. Verwirrt und geschockt starrte ich meine Mutter an. Das Regenwasser plitsch-platschte auf den Boden.
    »Das ist … wirklich eine große Sache?«, gelang es mir zu murmeln, und der Satz hatte am Ende ein Fragezeichen.
    »Ja«, erwiderte Mom und sah auf ihre Flip-Flops hinunter. »Das war es, damals.«
    »Weiß T. J. davon? Oder CeeCee?«, fragte ich. Meine Gedanken überschlugen sich. »Weiß es Dad? Und Wade?« Es war ziemlich offensichtlich, so wurde mir schlagartig klar, dass Delilah es wusste.
    »Ich glaube nicht, dass T. J. oder CeeCee etwas davon wissen. Wade mit Sicherheit nicht«, entgegnete Mom leise. »Dein Vater weiß es natürlich.« Sie klang sehr bestimmt.
    Ich schüttelte den Kopf. »Aber in meinem ganzen Leben hast du nicht einmal erwähnt …«, setzte ich an, verlor mich aber.
    Mom trat einen Schritt auf mich zu. Sie hatte die Hände so fest aneinandergedrückt, dass ihre Fingerknöchel weiß wurden. »Es schien mir nie zweckmäßig, dir davon zu erzählen, Miranda. Ich habe nie geglaubt, dass du und ich hier auf Selkie landen würden oder dass ich Teddy noch mal wiedersehen könnte. Ich dachte, dass dieser

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