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Der Junge aus dem Meer - Roman

Der Junge aus dem Meer - Roman

Titel: Der Junge aus dem Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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weißen Riemchen und hohen Absätzen, Lederpantoletten, Strohhüte mit breiten Krempen und winzige, mit Schmucksteinen verzierte Handtaschen.
    Während ich auf dem staubigen Boden des Kämmerchens saß und jeden Gegenstand sorgfältig in Seidenpapier einwickelte, verspürte ich einen Anflug von Traurigkeit. Es schien nicht richtig, all diese großartigen Dinge einfach wegzugeben. Aber was hätten Mom und ich mit den Sachen anfangen sollen? Sie tragen?
    Ich stand auf, um meinen schmerzenden Rücken zu strecken. Es war eine Kleiderstange übrig, die ich noch nicht durchgesehen hatte. Ich fuhr mit den Fingern über einen Rock mit Paisley-Muster. Isadora hatte bestimmt sehr elegant darin ausgesehen. Ein exquisites, hochgeschlossenes schwarzes Spitzenkleid mit kurzen Ärmeln und kurzem Rock fiel in mein Blickfeld. Das Schildchen am Kragen verriet, dass es mir vielleicht passen könnte. Ich musste lächeln, als ich das Was-wäre-Wenn beiseite schob, das sich eben in meine Gedanken drängte.
    Dann fiel mir plötzlich ein großer schwarzer Überseekoffer auf, der direkt hinter dem Kleid in die Ecke gezwängt worden war. Er war stark abgenutzt, und sein riesiger goldfarbener Verschluss musste poliert werden. Ich vermutete,dass sich noch weitere Sachen in dem Koffer befanden, und schob die Kleider beiseite, um mich hinzuknien und ihn zu untersuchen. Ich versuchte, den Deckel zu öffnen, doch er rührte sich nicht. Dann rüttelte ich an dem goldfarbenen Vorhängeschloss und hoffte, dass es nachgab, aber der Koffer war fest verschlossen.
    Ich spürte Entschlossenheit in mir, während ich mich auf die Fersen zurücksinken ließ und sich ein warmes Prickeln auf meiner Haut ausbreitete. Ich hatte das Gefühl, an der Schwelle zu einer großen Entdeckung zu stehen – so wie sich Alexander Fleming gefühlt haben musste, bevor er das Penicillin entdeckte.
    Ich klopfte auf den schwarzen Deckel, was ein dumpfes Echo hervorrief. Hätte sich Isadora die Mühe gemacht, den Koffer zu verschließen, wenn er nur Kleider enthielt? Und was war, wenn Isadora gar nichts mit dem Koffer zu tun hatte? Was, wenn er von einem alten Piraten im Haus zurückgelassen worden war? Ich wollte meiner Fantasie nicht zu freien Lauf lassen, aber es schien mir durchaus plausibel, dass sich ein verborgener Schatz im Koffer befand.
    Aber vielleicht lag das auch nur an Llewellyn Thorpes Einfluss.
    Ich hörte, wie unten die Haustür geöffnet wurde und Mom jemanden begrüßte. Wahrscheinlich die Handwerker, die gekommen waren, um irgendetwas zu reparieren, oder es war Delilah, die, wie schon am Tag zuvor, zum Mittagessen kam.
    Ein Schlüssel,
überlegte ich und tastete den Boden um den Koffer herum ab.
Jedes Schloss hat einen Schlüssel.
Doch natürlich würde niemand den Schlüssel gleich neben dem Koffer aufbewahren – das wäre ein allzu offensichtliches Versteck gewesen.
    »Miranda, wo bist du?«
    Ich hörte Moms Schritte auf der Treppe und stand auf; mein Puls raste.
    Ich war mir nicht sicher, ob Mom von dem Koffer wusste, fand aber irgendwie, dass ich dieses Geheimnis für den Rest der Zeit für mich behalten sollte – ähnlich wie Llewellyn Thorpes Buch.
    Schnell verteilte ich die Kleider wieder gleichmäßig über die Stange, sodass sie den Koffer verdeckten, und rief Mom zu, dass ich mich im Kleiderkämmerchen befand.
    Mom öffnete die Tür und begutachtete die in Seidenpapier verpackten Kleider. »Du machst Fortschritte«, bemerkte sie kühl.
    Ich nickte. Ich konnte sie nicht ansehen, ohne mir Mr. Illingworth vorzustellen, der mit einem Bein vor ihr kniete. Und ich konnte nicht aufhören, mich zu fragen, ob sie dieses Mal seinen Antrag annehmen würde. Nach dem Montagabend schien das Verhältnis zu meiner Mutter irgendwie beschädigt und verändert zu sein.
    »Komm runter«, sagte sie und drehte sich wieder um. »Du hast Besuch.«
    Mein Herz machte einen Satz. War Leo gekommen, um mich um Vergebung zu bitten? Oder T. J., um mich vielleicht zu fragen, was ich von der Beziehung zwischen Mom und seinem Vater wusste? Dann wäre Mom allerdings besserer Laune gewesen.
    Ich war mir nicht sicher, welchen Jungen ich lieber – oder nicht so gerne – sehen wollte.
    Bedauernd ließ ich den Blick über mein schwarzes Tanktop, die grauen Shorts und die Chucks gleiten, trat aus dem Wandschrank und folgte Mom nach unten. Mit jedem Schritt wurde mein Puls schneller, während ich mir vorstellte,dass Leo dort in der Eingangshalle stand und mich mit seinen grünen Augen

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