Der Junge aus dem Meer
Kunstwerk wieder aufzuspüren, und wie sie der Bronzebüste dann auch noch zum ersten Preis verhalfen — das ist schon wieder eine Geschichte für sich.
Wir müssen jetzt eigentlich nur noch wissen, daß der Schokoladenfabrikant Hugendubel für die Ergreifung des Täters oder die Wiederbeschaffung der verschwundenen Büste eine Belohnung von tausend Mark ausgesetzt hatte.
Und weil in diesem Falle Polizeimeister Kalender genauso wenig Glück gehabt hatte wie der berühmte Detektiv namens Krause aus Berlin, langweilte sich das Hugendubelsche Geld seitdem im Geldschrank von Chefredakteur Kubatz bei den „Bad Rittershuder Nachrichten“.
„Es steht euch jederzeit zur Verfügung“, hatte er an jenem denkwürdigen Abend zu den Glorreichen Sieben gesagt, nachdem sie kurz zuvor auf’ einen Triumphzug durch den Kurpark verzichtet hatten, obgleich dort so ziemlich alle Bad Rittershuder Bürger und ein gewaltiges Feuerwerk auf sie gewartet hätten.
Und damit ist das Nachsitzen für alle, die unbedingt wissen wollten, was im ersten Band der Glorreichen Sieben so im großen und ganzen passiert ist, endgültig ausgestanden. Sie kennen jetzt sozusagen vom Eisberg eine ganze Menge mehr als nur die Spitze, die aus dem Wasser guckt.
Wir können also wieder zur Eisdiele hinüberspazieren, wo wir Herrn Salvatore Ambrosi verlassen hatten, als er mitten zwischen den Kurgästen unter einem Sonnenschirm saß. In seinem Lackschuh spiegelte sich noch immer der Rathausturm. Aber er hatte inzwischen sein Himbeereis serviert bekommen und verspeiste bereits den letzten Löffel Schlagsahne.
Etwa zur selben Zeit hatte es im Prinz-Ludwig-Gymnasium gerade zur großen Pause geklingelt, und die Glorreichen Sieben versammelten sich wie üblich an ihrem Treffpunkt bei den abgestellten Fahrrädern. Natürlich fehlte Fritz Treutlein, der im gleichen Augenblick einem Kurgast aus Düsseldorf die Haare schnitt.
„Es riecht nach hitzefrei“, bemerkte der dickliche Sputnik.
„In zwei Tagen ist das sowieso ein Dauerzustand“, erwiderte Emil Langhans gelangweilt, holte einen Apfel aus der Hosentasche und polierte an ihm herum. „Es bleibt doch dabei, wie abgemacht?“ fragte er dabei.
„Freitag morgen sieben Uhr zwanzig geht’s los“, erwiderte Paul Nachtigall. „Und bis Hamburg haben wir sogar ein ganzes Abteil für uns reserviert bekommen!“
„Sieh mal an“, bemerkte in diesem Augenblick eine Stimme. „Die Glorreichen Sieben machen dieses Mal in den
Ferien also eine Art Familienausflug?“ Die Stimme gehörte Studienrat Utzerath . Er gab hauptsächlich in allen Klassen Physik und hatte heute im Schulhof die Pausenaufsicht „Aber ich will keinesfalls indiskret sein. Ich habe da lediglich so im Vorbeigehen etwas gehört.“ Er lächelte, als wollte er sich entschuldigen. „Natürlich nur ganz zufällig und ungewollt.“
„Das ist kein Staatsgeheimnis“, meinte Paul Nachtigall und lächelte jetzt gleichfalls. „Wir fahren alle zusammen nach Sylt.“
„Genauer gesagt nach Rantum“, unterbrach Karlchen Kubatz. „Das ist ziemlich im Süden und dort, wo die Insel ganz dünn wird.“
Im Allgemeinen waren die Glorreichen Sieben dafür bekannt, daß sie nicht gerade gesprächig waren. Notfalls konnten sie verschwiegen sein wie Schmetterlinge oder Eidechsen.
Aber Studienrat Utzerath war einer der beliebtesten Lehrer an der Schule und wollte ihnen bestimmt nicht aus purer Neugierde die Würmer aus der Nase holen. Dazu kam, daß die Freude auf die Sommerferien genauso ansteckend war wie ein Schnupfenbazillus im Dezember.
Jedenfalls ergab es sich wie von selbst, daß Studienrat Utzerath schon nach ein paar Minuten die ganze Vorgeschichte der gemeinsamen Ferien erfahren hatte.
„...und in dieses Haus mit dem kleinen Bauernhof hat uns meine Großmutter eingeladen“, berichtete Karlchen Kubatz schließlich. „Das Wohnen kostet uns also keine müde Mark.“
„Bleibt noch das Geld für die Eisenbahnfahrten und das Essen“, ergänzte Manuel Kohl.
„Aber dafür haben wir ja die tausend Mark Belohnung kassiert“, grinste Emil Langhans. Er hatte die Hände verschränkt und ließ seine Daumen Windmühle spielen.
„Richtig“, erinnerte sich Studienrat Utzerath . „Die Herren sind ja seit der Tausendjahrfeier Kapitalisten.“ Dabei hatte er schon einen Zettel herausgeholt. „Ich schreibe euch hier meine Telefonnummer auf. Ich habe nämlich ein Segelboot auf Sylt. Allerdings in List, und das liegt genau am anderen Ende der Insel.
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