Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)
baten sie wieder, Ihnen den Jungen zu überlassen?«
»Der Mann hat Angela süchtig gemacht. Ich bat sie, mir Teddy vorbeizubringen, aber Sie kam immer nur, wenn es Geld gab. Wenn ich ihr keines gab, klaute sie es. Aber ich wusste, es war der einzige Weg, Teddy zu sehen, also ließ ich es zu.«
»Doch am Tag vor Teddys Geburtstag gaben Sie ihr eintausend Dollar?«
Elsie senkte den Kopf, die Augen geschlossen.
»Mrs Underhill?«
Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Sie sagte, sie würde ihn bei mir lassen.«
»Gegen Geld?«
»Sie war so abgezehrt – nur noch Haut und Knochen. Sie lief ständig auf und ab und kratzte sich. Teddy lag auf dem Sofa und starrte vor sich hin. Sie rochen wie Tiere. Als ich versuchte, ihn hochzuheben, um ihn zu baden, begann er zu schreien. Da sah ich die Verbrennung.«
»Was ist dann passiert?«
»Ich habe Angela das Geld gegeben. Ich habe es aus dem Schrank geholt und bin auf die Knie gegangen und habe es dort hingelegt, auf den Boden, zwischen uns. Ich habe zu ihr gesagt: ›Nimm das und lass mir den Jungen.‹«
»Wie hat sie reagiert?«, fragte Louise Bost.
»Sie hat nach dem Geld gegriffen und es gezählt.«
»Hat sie etwas gesagt?«
Mrs Underhills Gesicht fiel in sich zusammen. »Morgen vielleicht.«
»Was ist dann passiert?«
»Am nächsten Tag? Es war zu spät. Sie hatten ihn totgeschlagen.«
»Danke, Mrs Underhill«, sagte Louise Bost.
Dann sah sie den Richter an und erklärte: »Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.«
55
Als Nächstes war Ms Galloway an der Reihe.
Sie kam direkt zur Sache. »Mrs Underhill, waren Sie je dabei, als Albert Williams Ihren Urenkel geschlagen oder sonst irgendwie verletzt hat?«
»Ich habe die Verletzungen gesehen.«
»Ja oder nein, Mrs Underhill. Haben Sie je gesehen, wie Albert Williams Teddy schlug?«
»Nein.«
»Haben Sie je gesehen, wie er den Jungen anderweitig verletzt hat?«
Mrs Underhill hob das Kinn.
»Beantworten Sie bitte die Frage«, sagte Ms Galloway.
»Nein.«
Die Anwältin nickte. »Und haben Sie je gesehen, wie er mit Ihrer Enkelin Angela Drogen nahm?«
»Ich erkenne einen Junkie, wenn ich ihn sehe.«
»Ja oder nein?«, fragte Ms Galloway.
»Nein.«
»Wissen Sie, dass Albert Williams während der ganzen Zeit, in der er und Ihre Enkelin zusammenlebten, einen Vollzeitjob hatte?«
»Ich hatte es gehört. Von Angela.«
»Und all die Stunden, wenn Albert gearbeitet hat, war sie allein mit Teddy, nicht wahr?«
»Ich weiß nur, dass er immer arbeitete, wenn Angela zu mir kam.«
»Also war Albert Williams jedes Mal bei der Arbeit , wenn Sie gesehen haben, dass Ihr Enkel verletzt war?«
Diesmal erhob Louise Bost Einspruch.
»Ich ziehe die Frage zurück«, sagte Galloway. »Angela wollte bei ihren Besuchen immer Geld, nicht wahr? Geld, das sie, wie Sie annahmen, für Drogen ausgeben würde?«
Mrs Underhill senkte den Kopf. »Ja.«
»Und Ihre Enkelin hat sogar angeboten, Ihnen ihr eigenes Kind für Drogengeld zu verkaufen, war es nicht so, Mrs Underhill?«
»Ich weiß nicht …«
»Und stimmt es nicht auch, dass Teddys Verletzungen erst auftraten, als seine Mutter Angela anfing, Drogen zu nehmen?«
Mrs Underhill antwortete nicht.
Ms Galloway fuhr fort. »Tatsächlich wissen Sie überhaupt nicht, wer Teddy verletzt hat, nicht wahr? Dem Anschein nach könnte es sogar sein, dass Angela ihn schlug, um mehr Geld bei Ihnen herauszupressen.«
Diesmal sprang Hetzler auf. »Einspruch!«
»Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.«
Hetzler wartete ab, bis Ms Galloway an den Tisch zurückkam und sich setzte.
Dann stand er langsam auf und knöpfte sich sorgfältig das Jackett zu, bevor er sich dem Zeugenstand näherte.
Seine erste Frage überraschte mich. »Sie sind Witwe, Mrs Underhill?«
»Das bin ich.«
»Wie lange waren Sie verheiratet?«, fragte er.
»Fünfundzwanzig Jahre. Edward verstarb kurz nach Angelas Geburt.«
»Wussten Sie und Ihr Mann, wer Angelas Vater ist?«
Mrs Underhill senkte den Blick. »Wir hatten einen Verdacht.«
»Ihr Mann war sehr aufgebracht, als er herausfand, dass Ihre Tochter mit Angela schwanger war, nicht wahr?«
»Er war enttäuscht. Wir hatten unsere Tochter in der Kirche erzogen.«
»Er warf sie sogar aus dem Haus, als er es herausfand, nicht wahr?«, fragte Hetzler.
Mrs Underhill sah weg.
»Wie alt war Ihre Tochter damals?«
»Siebzehn.«
»Siebzehn Jahre alt. Schwanger. Auf der Straße. Hat Sie damals angefangen, Drogen zu nehmen?«, fragte er.
»Das hätte sie
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