Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)
sie. »Du musst mich auf den neuesten Stand bringen.«
Während wir also in der Schlange vor dem Metalldetektor standen, berichtete ich ihr vom Vortag.
Cate legte ihre Tasche in den Plastikkorb vor dem Röntgengerät. »Die drei Gesichter von Teddys Mutter?«
»Du meinst, Angela Underhill: Hexe, Opfer oder geldgierige Crack-Schlampe?« Ich leerte das Kleingeld und die U-Bahn-Münzen aus meiner Hosentasche.
»Hundert Punkte. Du sagst es«, antwortete Cate.
Im Gerichtssaal setzten Cate und ich uns direkt hinter Louise Bost. Ich gab Cate den Artikel, den ich aus der Zeitung ausgerissen hatte, dann drehte ich mich um und versuchte zu erraten, wer der Autor war. Mein Tipp war entweder der kahl werdende Blonde mit dem fusseligen Blazer oder der Trotzki-Doppelgänger ganz in Tweed, aber zwischen den beiden fiel mir die Entscheidung schwer. Beide hatten einen Notizblock in der Hand.
Für ihr Schlussplädoyer hatte Louise Bost ein großes Porträt von Teddy auf den Flipchartständer gespannt.
Sie würdigte es einen Moment, bevor sie das Wort ergriff. Die Geschworenen folgten ihrem Blick.
»Wir haben in den letzten zwei Wochen viele Aussagen gehört«, sagte sie. »Die Aussagen von Experten und von ganz normalen Bürgern, die in die erschütternden Umstände des Todes dieses Jungen und dessen Folgen hineingezogen wurden.«
Sie trat direkt vor die Geschworenenbank.
»Wir können Ihnen sagen, wie Teddys Leiche gefunden wurde. Wir können Ihnen sagen, wie seine Identität festgestellt wurde und wie die Ermittlungen verliefen, nachdem seine Identität geklärt war. Wir können eine Reihe von grässlichen Verletzungen beschreiben, die er während seiner drei kurzen Lebensjahre erlitten hat – Verletzungen, die so schwerwiegend waren, dass sie buchstäblich in seineKnochen eingeschrieben waren, lange über seinen Tod hinaus.«
Louise Bost sah zum Tisch der Verteidigung hinüber.
»Seine Mutter hat die Schläge beschrieben, die zu seinem Tod geführt haben, und die Gleichgültigkeit, mit der sie und Albert Williams die kleine geschundene Leiche des Jungen behandelten, als alles vorbei war. Stephanie Keller hat erzählt, wie es war, Teddy schreien zu hören. Sie hat uns eine Ahnung davon vermittelt, wie es sich angefühlt haben muss, für Fehler, die so harmlos waren wie das Trödeln über einer Schale Cornflakes, dem schonungslosen Zorn eines ausgewachsenen Mannes ausgesetzt zu sein.«
Sie sah wieder zu den Geschworenen.
»Wir wissen nicht, wie es für Teddy Underhill war, lebendig zu sein. Wir wissen nicht, wie es war, in so viel Schmerz und Angst zu leben – sich ständig fragen zu müssen, wann die nächsten Schläge kamen, wann ihm der nächste Knochen gebrochen wurde. Er kann es uns nicht mehr sagen. Er kann uns nichts mehr sagen. Dafür haben Angela Underhill und Albert Williams gesorgt. Sie haben dafür gesorgt, dass Teddy nie mehr von dieser Welt kennenlernen durfte als diesen kurzen, traurigen Blick, den er erhaschte, auf einen Ort voll Angst, Schmerzen und Leid. Wir wissen nicht, wovon er träumte, welche kindlichen Hoffnungen er hegte … auf die Zukunft. Das Einzige, das vom kurzen, traurigen Leben dieses Jungen übrig ist, ist das Foto, das Sie hier sehen, und seine kleinen, geschundenen Knochen.«
Sie drehte sich noch einmal zu Teddys Foto um.
»Albert Williams’ Anwältin möchte, dass Sie die Aussagen von Stephanie Keller vergessen, die genau wusste, welche Art von Misshandlungen Teddy durch den Beklagten widerfuhr. Stephanie Keller, eine ausgebildete Krankenschwester mit zwanzig Jahren Berufserfahrung, wusste genau, was sie hörte und sah. Stephanie Keller kämpfte darum, so lange am Leben zu bleiben, dass sie hierherkommenund uns davon berichten konnte, um zu beweisen, dass es jemanden auf der Welt gab, dem genug an Teddy lag, um Gerechtigkeit für ihn zu fordern. Denken Sie daran, meine Damen und Herren: Eine Fremde kümmerte sich mehr um das Wohl dieses Kindes als seine eigene Mutter.
Nicht einmal Albert Williams’ Anwältin schaffte es, Ms Keller von ihrer Meinung abzubringen. Stephanie Keller wusste genau, was passierte, und sie erzählte ihre Geschichte klar und überzeugend. Wir wissen, dass Albert Williams ihn umbrachte, genau so, wie Ms Keller es befürchtet hatte. Und das ist der schlimmste, der unverdaulichste Aspekt, mit dem Sie es hier im Gerichtssaal zu tun hatten: All dies hätte nicht passieren müssen. Es gab einen sicheren, behaglichen Ort für Teddy, bei einer liebenden
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