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Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Read
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Vertreter unserer ignoranten Sippe«, sagte ich.
    »Jedenfalls frage ich ihn, woher er das weiß«, fuhr sie fort, »und er zuckt die Schultern und sagt: ›Weil Sie nach Knoblauch stinken.‹«
    »Scheißweiße«, knurrte Yumiko, die uns gegenübersaß. »Dermaßen bescheuert.«
    In Variationen führten wir dieses Gespräch häufig, aber ich fand es immer noch auf morbide Weise faszinierend.
    Yumikos Eltern waren aus Japan eingewandert, Karens aus China, Yong Suns, wie gesagt, aus Korea.
    Ständig machten die drei sich gegenseitig über ihre Herkunft lustig, wobei sie mir die herrschende Hierarchie erklärt hatten: Vorne lag Japan, dann kam Korea, dann China – in der Reihenfolge ihrer wirtschaftlichen Vormachtstellung.
    Karen meckerte darauf jedes Mal, dass alle Anwesendenihr die in Amerika geborenen Füße küssen müssten, denn ohne die Chinesen »hätten eure bescheuerten Länder bis heute nicht Lesen und Schreiben gelernt, und dann säßen wir alle auf der Straße«.
    Also dankte ich ihr jedes Mal für unsere Arbeitsstelle, und wo wir schon mal dabei waren, auch für Feuerwerk, Nudeln und Dim Sum.
    Yumiko warf einen Blick auf eine alte Vogue- Ausgabe, die jemand auf ihrem Tisch hatte liegen lassen. »Und warum ziehen reiche weiße Drecksäcke sich eigentlich immer so beschissen an?«
    Sie war knapp einen Meter fünfzig groß, ein hauchzartes Mädchen, das aus dem Nebel eines Ukiyo-e-Holzschnitts entstiegen zu sein schien, doch sie war mit dem unflätigsten Mundwerk gesegnet, das ich je erlebt hatte. Neben Yumiko wirkte ich wie eine verklemmte Mormonin.
    »Reiche Weiße ziehen sich beschissen an, um zu zeigen, dass sie es nicht nötig haben, sich schick zu machen«, erklärte ich.
    Yumiko musterte mein ausgeleiertes T-Shirt und die ausgefransten Bermudashorts, als wollte sie sagen: Du musst es ja wissen. »Scheißbescheuert. Ihr seid doch alle ein beschissener Hauf von Scheißfreaks.«
    »Fand ich auch immer«, sagte ich und schaltete meinen Computer ein.
    »Ich meine«, fuhr sie fort, »einen Scheißweißen küssen ? Mit diesen Scheißaugen, ihr wisst schon. Bläulich, wässrig, ekelhaft. Wie Scheißleichen! Total ätzend.«
    »Umso besser«, sagte Karen. »Weniger Konkurrenz.«
    Yumiko winkte ab. »Du Bananenzicke – du bist doch nur außen gelb.«
    »Findest du, in Japan ist es besser als hier?«, fragte ich.
    »Drüben ist alles scheiße«, erklärte sie. »Da ist alles scheißverboten. Meine Cousine hat mal einen Lockenstab benutzt, zur Schule, wisst ihr? Der Scheißlehrer hat vor derganzen Klasse ihren Kopf in einen Eimer Wasser gesteckt. Meinte, er wollte sichergehen, dass sie keine Koreanerin ist oder so eine Scheiße.«
    »Von nichts eine Ahnung«, schnaubte Yong Sun und strich sich über ihre Naturlocken wie Frieda von den Peanuts .
    »Außerdem finden sie mich drüben hässlich«, sagte Yumiko.
    »Du bist zum Anbeißen!«, rief ich. »Haben die Tomaten auf den Augen?«
    »Meine Haut ist zu dunkel, meine Augen sind zu groß – mein Opa sagt, ich sehe aus wie eine Inderin. Man muss schmale Augen haben und blass sein und so eine Scheiße. Ach, leckt mich doch alle.«
    »Hier bist du jedenfalls bildschön«, sagte ich.
    »Hier habe ich keine Titten. Die Typen halten mich für einen zwölfjährigen Jungen.«
    »Wir können gerne tauschen.« Ich zeigte auf meinen etwas zu üppigen Vorbau.
    Yumiko ignorierte mich. »Ich gehe zu Victoria’s Secret, und die haben nicht mal Unterhosen für mich – meine Beine passen immer in ein Loch. Bei The Gap probiere ich Scheißjeans an, Größe 0 – die geben mir nicht mal eine richtige Nummer. Total beknackt.«
    »Heul doch«, sagte Karen lächelnd. »Du bist so eine typische FOB.«
    Von früheren Streits wusste ich, dass FOB für »frisch vom Boot« stand.
    Yumiko knurrte: »Ach, leck mich und gib mir eine Marlboro.«
    Karen zog ein rot-weißes Softpack aus der Tasche, fieselte eine Kippe heraus und warf sie auf den Teppich.
    Yumiko klemmte sie sich hinters Ohr, Filter vorn.
    »Waschlappige China-Schlampe, kann nicht mal werfen«, sagte sie. »Kein Wunder, watet deine Oma noch imReisfeld hinter den Büffeln her – hundefressende Scheißkommunistenschweine.«
    » Koreaner essen Hunde«, sagte Karen.
    »Tun wir nicht«, sagte Yong Sun.
    »Mit Knoblauch «, sagte Yumiko.
    Yong Sun stand auf. »Dann kannst du ja die Kreditkartenabrechnung übernehmen.«
    »Ich habe die Scheißkreditkartenabrechnung schon am Freitag gemacht!«, zischte Yumiko. »Du bist dran.«
    Yong

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