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Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Read
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moralischen Rüstung gesehen.«
    »Ich glaube, ich habe noch nie mit einem von euch zu Abend gegessen«, sagte Christoph. »Du bist wirklich eine ›Demokratin‹?«
    »Ja, wirklich«, versicherte ich ihm.
    »Bemerkenswert! Du musst mir erklären, was das bedeutet. Läufst du herum und planst, Sachen in die Luft zu jagen?«
    »Vor allem das Patriarchat«, erklärte ich.
    Er nickte Dean zu und grinste. »Und du erlaubst ihr so was?«
    Mein Mann zuckte die Schultern. »Man muss den Frauen heutzutage die Illusion geben, sie hätten einen freien Willen.«
    Christoph lachte. »Ihr Amerikaner, wirklich – ihr seid so amüsant .«
    »Ihr Schweizer«, sagte ich, »ihr seid so  … schweizerisch.«
    »Kuckucksuhren und Schokolade?«
    »Ich habe mehr an ein Denkmal in einem Park in Saanen in der Nähe von Gstaad gedacht – eine Kanone mit einer Plakette, die an einen Aufstand erinnert, als sich das ganze Land erhob, weil die Regierung in Bern zu liberal geworden war.«
    »Du kennst Saanen?«, fragte Christoph überrascht.
    »Meine Geschwister waren in Saanen auf dem Internat«, sagte ich. »Reizender Ort.«
    Schön, ich war mir nicht zu fein, mich aus Selbstschutz mit ein paar landeskundlichen Federn zu schmücken. Pagan und Trace waren täglich in den Alpen Ski gelaufen; ich fand, ich hatte wenigstens einen Trostpreis verdient.
    Christoph sah Astrid an. »Wirklich, meine Liebe, du hast bemerkenswerte Freunde.«
    Sie fasste sich an den Hals. »Natürlich.«
    Er nickte Dean zu. »Du musst unbedingt raus nach New Jersey kommen und dir meinen kleinen Betrieb ansehen.«Wir teilten uns das Taxi nach Uptown, und Christoph und Dean unterhielten sich über wissenschaftliches Zeug, während Astrid mich zu überreden versuchte, sie in irgendeinen neuen Nachtclub zu begleiten.
    »Ich muss leider morgen früh arbeiten«, sagte ich.
    »Du schreibst natürlich an irgendetwas?«, fragte Astrid. »Schmiedest das rohe Gewissen deiner Rasse auf dem Amboss deiner Seele?«
    »Eigentlich mache ich Telefondienst.«
    Sie schüttelte den Kopf mit ernstem Gesicht. »Verdammt, Maddie, du bist Künstlerin . Ich bestehe darauf, dass du aufhörst, deine Zeit mit solchen Kinkerlitzchen zu verschleudern.«
    Ich zuckte die Schultern. »Und unser Vermieter besteht auf die Miete.«
    »So ein Prolet«, sagte sie.
    »Wem sagst du das.«
    Tröstend tätschelte mir Astrid das Knie. » Courage , meine Süße … ne désespères pas. «
    Sie beugte sich zu Christoph vor, der darauf bestanden hatte, als Gastgeber des Abends vorne neben dem Fahrer zu sitzen.
    »Darling?« Sie schob die Hand durch das kleine Fensterchen und berührte sein Haar. »Warum lässt du unseren wunderbaren Dean nicht gleich morgen nach New Jersey kommen? Es gibt keinen Grund, warum wir Southampton nicht auf Freitagmorgen verschieben können.«
    Als der Taxifahrer vor unserem Gebäude hielt, hatte man sich auf zehn Uhr geeinigt.
    Wir stiegen aus in die schwüle Nacht und verabschiedeten uns mit einer Runde Luftküsse, nach Dostojewski der Geste, derer sich »die Russen bedienen, wenn sie reich und berühmt sind«.
    Astrid und ich tauschten unsere Küsse zuletzt, und dann hielt sie mich einen Moment an den Schulternfest und flüsterte mir ins Ohr: »Ich liebe dich wirklich, Madissima.«
    In diesem kurzen Moment ließ sie die Maske sinken, und mir wurde klar, dass ich noch nie jemanden gehört hatte, der so einsam und zerbrechlich klang.
    »Essen die nie was?«, fragte Dean.
    Wir saßen in der Küche und tunkten zerbröselte Salzbrezeln in ein Nutellaglas.
    »Alle zwei Jahre«, sagte ich. »Winzig kleine Salate ohne Dressing.«
    Er sah sich seine Brezel an. »Heißt das, sie sind so was wie Luftfarne?«
    »Oder Vampire.«
    »Meinst du, ich soll morgen einen Anzug tragen?«
    »Gott bewahre«, sagte ich. »Das würde er fürchterlich proletarisch finden.«
    Dean lachte und schob mir das Nutellaglas herüber.

13
    Am folgenden Mittwoch war ich früh bei The Catalog. Gegen neun Uhr saßen wir zu viert an den Telefonen.
    »Der Morgen hat so nett angefangen«, sagte meine Telefonkollegin Yong Sun, als sie in die Zentrale kam.
    »Was war denn?«, fragte ich.
    »Ich war ein bisschen spät dran, deshalb bin ich mit dem Taxi zur U-Bahn gefahren, und der Fahrer fragte, ob ich Koreanerin bin.« Sie trank einen Schluck Kaffee.
    »Weißer?«, fragte Karen auf dem Platz neben mir.
    Yong Sun nickte. »Ich dachte: Endlich mal einer von euch, der eine Ahnung hat!«
    »Ich bin sehr stolz auf diesen aufgeklärten

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