Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)
mich nach Cate um, doch sie war außer Hörweite.
»Blut«, sagte ich.
Skwarecki nickte. »Alle getrockneten Flüssigkeiten.«
Urin. Sperma.
»Wenn man so was in eine Plastiktüte steckt, wird es feucht«, erklärte sie, »und Feuchtigkeit kontaminiert alles.«
»Ich verstehe.«
Skwarecki stand auf. »Haben Sie Bullen in der Familie oder so was, Madeline?«
»Oder so was«, antwortete ich.
Sie brachte ein Lächeln zustande. »Jedenfalls scheinen Sie Bescheid zu wissen.«
Ich zuckte die Schultern.
»Und Sie wünschten, es wäre anders.«
»Allerdings.«
»Ja«, sagte sie kopfschüttelnd. »Scheiße wie die hier …«
»Total abartig.«
»Aber echt. Verdammte Schweine.«
»Drecksäcke.«
»Ein Kind … «
»Dieser kleine Schuh …«, seufzte ich und zeigte auf die Tüte.
»Was soll die Scheiße, oder?«
»Verdammte Scheißkerle.«
»Yo«, sagte Skwarecki. »Verdammte Scheißdrecksäcke.«
Und dann stießen wir die Schultern gegeneinander.
Ich fühlte mich schon viel besser.
Nachdem wir uns verbrüdert hatten, standen wir nebeneinander da, Hände in den Hüften, und sahen zu Cate hinüber.
»Skwarecki?«, sagte ich.
»Yo.«
»Wie stehen die Chancen, jemanden für so was tatsächlich dranzukriegen?«
»Wie gesagt, so gut wie bupkis .«
»Versprechen Sie mir, dass Sie sich trotzdem drum kümmern?«
»Das ist unser Job.«
»Cool.«
Als Cate sich umdrehte, wirkte sie ruhiger und kam zu uns zurück.
»Was passiert jetzt?«, fragte ich Skwarecki.
»Papierkram. Mal sehen, ob der kleine Teddy im System auftaucht.«
»In welchem System?«, fragte Cate.
»Er wurde misshandelt«, sagte Skwarecki. »Vielleicht hat ihn jemand beim Jugendamt gemeldet.«
»Was können wir tun?«
Skwarecki klemmte sich die Beweismitteltüte unter den Arm. »Wenn der Fall vor Gericht kommt, wird Bost Ihre und Madelines Aussage brauchen.«
»Detective«, sagte Cate, »wir tun alles, damit dieses Schwein zur Verantwortung gezogen wird.«
»Amen«, sagte Skwarecki.
17
»Ich weiß nicht, wie ich jetzt noch an etwas anderes denken kann«, sagte Cate.
Sie fuhr mich zurück zur Jamaica Station, und es wurde bereits dunkel: frühe Dämmerung, die dünne Schneide des Winters.
»Ich wünschte, ich könnte irgendwas tun, jetzt sofort«, fuhr sie fort.
»Ja«, sagte ich, »ich habe auch kein bisschen Geduld.«
»Und diese arme Mrs Underhill. Meinst du, sie hat davon gewusst?«
»Dass Teddy misshandelt wurde? Muss sie wohl.«
»Aber ihr lag doch so viel an ihm, Madeline. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie einfach danebenstand, wenn ihm wehgetan wurde.«
»Wie kann man Knochenbrüche nicht bemerken?«, fragte ich. »Wir reden hier nicht von blauen Flecken.«
»Aber wenn sie es wusste, warum bringt sie dann immer Kekse aufs Revier – und macht den Mund nicht auf?«
»Kann man multiple Brüche bei einem Dreijährigen übersehen? Ich will gar nicht wissen, was für Ausreden die Mutter ihr aufgetischt hat. Ich meine, hat sie einfach gesagt: ›Teddy ist schon wieder vom Dach gesprungen – anscheinend hat er aus den ersten drei-, viermal nichts gelernt‹, und Mrs Underhill antwortet: ›Wie nett, Liebes, vielleicht solltest du ihm einen Helm kaufen?‹ Das kaufe ich ihr nicht ab. Die Lady ist doch nicht blöd.«
»Hier geht es nicht um Blödheit«, entgegnete Cate. »Manchmal können Menschen sich einfach nicht eingestehen,was sie wissen. Sie sind einfach überwältigt von allem, was sonst noch auf dem Spiel steht.«
»Das kaufe ich ihnen auch nicht ab.«
»Vielleicht hat sie ihn nicht oft genug gesehen, um sich einen Reim darauf zu machen. Oder sie wollte nicht riskieren, dass der Kontakt mit ihm abreißt.«
»Dann ist sie ein Feigling.«
»Das ist ziemlich hart«, sagte Cate.
»Härter als die Tatsache, dass Teddy gestorben ist?«
»Natürlich nicht. Aber wir können nicht wissen, wer ihn totgeschlagen hat. Vielleicht hat der Freund der Mutter die Wahrheit gesagt.«
»Jemand hat Teddy regelmäßig so fest geschlagen, dass er ihm Knochen gebrochen hat – vor seinem Tod, denn die Brüche hatten Zeit zu heilen –, und dann soll ihn ein Fremder umgebracht haben?«
Sie schwieg betreten.
»Cate, wie weit ist es von hier bis LaGuardia?«
»Vielleicht fünfzehn Kilometer.«
»Sie wohnen also in einem Motelzimmer draußen am Flughafen, und wir finden Teddys Leiche ein paar Straßen vom Haus seiner Urgroßmutter entfernt?«
»Denkst du etwa, sie ist es gewesen?«
»Nein«, sagte ich. »Aber man muss sich
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