Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)
Angaben?«
»Die Großmutter hat ihre Aussage bestätigt«, sagte Skwarecki. »Sie hatte ihm gerade neue Sachen gekauft, und sie hat nachgesehen, was fehlte: eine rote Latzhose, ein blau-weiß gestreiftes T-Shirt, weiße Socken und ein Paar Alf-Turnschuhe.«
»Der Außerirdische aus dem Fernsehen?«, fragte Cate.
Skwarecki nickte.
Das mit den Turnschuhen setzte mir zu. Blinzelnd sah ich zu Boden, doch ich spürte, wie sich in meinen Augenwinkeln Tränen sammelten.
»Mist«, murmelte ich, als dicke salzige Tropfen von meinem Gesicht auf den Steinfußboden fielen.
Diesmal nahm Cate mich in den Arm und drückte mich sanft.
»Ja, oder?«, sagte Skwarecki. »Sie hätten mich mal sehen sollen, als die Großmutter mir erzählte, wie gern der Kleine Alf im Fernsehen sah. Dann holt sie ein Foto von Weihnachten, wo er beim Weihnachtsmann auf dem Schoß sitzt. Und ich saß da bei ihr im Wohnzimmer und fange zu flennen an.«
»Ach, Scheiße«, sagte ich. Meine Nase war zu, und beim Schlucken tat mir der Hals weh. »Ist das traurig.«
»Und dann gibt sie mir eine Dose mit selbst gebackenen Keksen mit und sagt, als kleines Dankeschön für die Jungs auf dem Revier.«
Ich nahm mein Halstuch aus der Tasche und putzte mir die Nase.
»Können Sie uns sagen, wie der kleine Junge hieß?«, fragte Cate.
»Edward«, sagte Skwarecki ernst. »Aber er wurde Teddy genannt.«
Wir folgten Skwarecki aus der Kapelle und gingen zu dritt den Weg hinauf, um zu sehen, ob die Quäker im Lauf des Nachmittags etwas Brauchbares entdeckt hatten. Als sie uns hörten, kamen sie aus dem Gestrüpp, und Cate überredete sie, eine Pause einzulegen.
Bis jetzt hatte niemand auch nur einen Stofffetzen gefunden – nur eine Ansammlung von Müll, der genauso nichtssagend war wie der von Cate und mir.
»Detective?« Eine Frau trat vor, die Cate als Mrs Van Nostrand vorstellte.
»Ich habe etwas gefunden, das ich lieber nicht anfassen wollte«, sagte die Frau, »bevor Sie einen Blick darauf werfen.«
Skwarecki folgte ihr ins Dickicht. Kurz darauf waren sie wieder da, mit ernsten Gesichtern. Skwarecki trug Latexhandschuhe und eine zusammengerollte Plastiktüte in der Jackentasche.
Sie und Mrs Van Nostrand sprachen kurz miteinander, dann ging die Frau zur Kapelle.
»Was war es?«, fragte Cate, als wir wieder allein waren.
»Ein Halswirbel«, antwortete Skwarecki. »Ziemlich klein. Sieht menschlich aus.«
Cate wurde blass.
Skwarecki legte ihr die Hand auf den Arm. »Ich bringe das mal in die Gerichtsmedizin. Bleiben Sie noch hier?«
»Solange es hell ist«, antwortete Cate.
»Ich schätze, in einer Stunde bin ich wieder da«, sagte Skwarecki. Dann ging sie über das tote Gras zurück zu ihrem Wagen.
Cate und ich schlugen uns noch eine gute Stunde durch die Schlingpflanzen und füllten ein weiteres halbes Dutzend Tüten, ohne etwas Wichtiges dabei zu entdecken.
Gegen fünf machten die Quäker Feierabend, und wir brachten sie zum Tor und dankten ihnen für ihren Einsatz.
Draußen auf dem Bürgersteig standen ordentlich aufgereiht etwa vier Dutzend Mülltüten mit Gartenabfällen.
Cate und ich setzten uns vor der Kapelle auf den Boden und lehnten uns an die von der Sonne erwärmte Fassade.
»Lass uns hier auf Skwarecki warten«, bat ich, »ich kann nicht mehr.«
»Mein Rücken fühlt sich an wie Gummi«, sagte Cate.
Daran gemessen, wie viel wir gähnten, waren wir beide ziemlich ausgelaugt.
»Meinst du, wir finden je raus, wer das Kind wirklich war?«, fragte sie.
»Ich hoffe es.«
Mir lief ein Schauer über den Rücken, als ich darüber nachdachte, was wohl schlimmer war: die Gewissheit, dass dein Kind tot war, oder keine Ahnung zu haben, wo es war und ob es Schmerzen litt oder nicht.
»Falls es Teddy ist«, sagte Cate, »meinst du, die Großmutter wusste, dass er misshandelt wurde?«
»Nach Skwareckis Beschreibung klingt es nicht so, als hätte sie so was geduldet«, entgegnete ich.
Ich sah zu, wie die Sonne nach Westen rutschte und langsam hinter die von Schlingpflanzen überwucherten Bäume glitt. Die Äste bewegten sich, und auf dem Gras tanzte das Licht.
»Ich frage mich, wo Teddys Großmutter ist«, sagte Cate.
»Wie meinst du das?«
»Die alte Dame mit den Keksen ist die Großmutter seiner Mutter, also Teddys Urgroßmutter. Da fehlt doch eine Generation.«
Ich dachte nach. »Gute Frage.«
»Bin ich müde.«
»Ich weiß nicht, wie wir es schaffen sollen, den letzten Müll in Tüten zu packen.«
»Gott«, sagte Cate, »miese
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