Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)
zu wechseln?«
»Glaubst du, Christoph liebt mich?«, fragte sie zurück.
»Ein Mann, der vor zwei Wochen ein Flugzeug nach Southampton gechartert hat, um dich zu heiraten?«, sagte ich. »Ich glaube, das ist ein Zeichen für hohe Wertschätzung, meinst du nicht?«
»Ich weiß einfach nicht, ob er mich wirklich liebt, Madeline.«
»Astrid, wie könnte er dich nicht lieben?«
Sie setzte sich die Sonnenbrille auf und sank zurück in ihren dunklen Samtkokon.
»Astrid«, sagte ich. »Du bist die schönste Frau in jedem Raum, den du je betreten hast, und du bist unglaublich witzig und sehr, sehr intelligent. Wenn ein Mann dich nicht liebt, ist er ein Idiot.«
»Du meinst also, er liebt mich nicht?«
»Das habe ich nicht gesagt«, entgegnete ich. »Ich glaube, dass er dir zu Füßen liegt, soweit ich das neulich beim Abendessen sehen konnte.«
»Was sagt Dean?«
»Er sagt ganz sicher das Gleiche. Es ist einfach sonnenklar, verstehst du? Dein Mann liebt dich.«
Sue verdrehte die Augen und schlich aus dem Zimmer.
»Soll ich nach Rom gehen?«, fragte Astrid wieder.
»Was ist in Rom, Antonini?«, fragte ich.
»Er hat nicht angerufen.«
»Was nicht gerade überrascht in Anbetracht der Tatsache, dass du, kaum war er eine Minute nicht in der Stadt, einen anderen geheiratet hast.«
»Ich könnte am Wochenende hinfliegen«, sagte sie.
»Was würdest du zu Christoph sagen?«, fragte ich.
»Ich weiß nicht, ob ich irgendwas zu ihm sagen würde.«
Es fiel mir schwer zu erkennen, ob es sich um einen Anfall von Nachkaufreue handelte oder nur um den verzweifelten Wunsch nach mehr Anerkennung. Die Tatsache, dass mein Mann jetzt für ihren Mann arbeitete, vereinfachte die Frage nicht.
»Astrid, was soll ich dir raten? Ich weiß nicht, was du willst.«
»Ich will, dass du mir sagst, ob ich nach Rom gehen soll«, sagte sie.
Pagan stand auf.
»Ich habe ein Lied für dich«, sagte sie und klopfte Astrid auf die Schulter.
Dann ging sie an die Stereoanlage und legte eine CD auf. Sekunden später sangen die B-52s in voller Lautstärke » Roam If You Want To«.
Astrid lächelte, aber sie sah nicht so aus, als hätte sie sich beruhigt.
»Hör zu«, sagte ich. »Es ist schon dunkel draußen. Wie wär’s, wenn ich dir ein Taxi rufe? Ich wette, Christoph ist längst zu Hause, und dann rufst du mich morgen bei der Arbeit an, okay?«
»Okay«, sagte sie, zog sich die Kapuze über den Kopf und kam ächzend auf die Füße.
Ich brachte sie nach unten und war froh, dass gleich ein Taxi hielt.
Ich setzte Astrid auf den Rücksitz und sagte ihr, alles sei gut, wobei ich nur hoffen konnte, dass ich recht hatte.
»Meinst du, ich soll nach Rom gehen?«, fragte sie wieder, als ich die Tür schließen wollte.
»Ich meine, du sollst unbedingt erst mal eine Nacht darüber schlafen. Wenn du morgen immer noch nicht weißt, was du tun sollst, reden wir noch mal darüber.«
Dann schloss ich die Tür, klopfte aufs Dach und sah zu, wie das Taxi sie in die Dämmerung davontrug.
Ich hob mein Bier, prostete ihr nach und wünschte ihr Sicherheit auf der Reise, die sie angetreten hatte.
»Du prostest der Stadt zu, Bunny?«
Als ich mich umdrehte, kam Dean auf mich zu.
»Gott sei Dank«, seufzte ich und umarmte ihn. »Ich dachte schon, du kommst nie nach Hause.«
18
»Du hast ein paar echt fertige Freunde«, sagte Sue, als wir wieder im Wohnzimmer auf der Couch herumhingen. Wir hatten bei Mykonos Baba Ghanoush, Hummus und Souvlaki bestellt, weil wir alle zusammen zu müde waren, um das Haus zu verlassen.
»Ich fasse es nicht, dass sie auch hier gewesen ist«, sagte Dean. »Sie war heute schon zweimal draußen in New Jersey.«
» Nachdem wir heute Morgen telefoniert haben?«, fragte ich.
Er nickte.
»Die Frau braucht einen Job«, sagte Sue.
»Sie braucht ein Leben «, erklärte Pagan. »Ich meine, geh nach Rom, verdammte Scheiße. Wen kümmert es?«
»Ich mache mir Sorgen um sie«, bemerkte ich.
»Mach dir lieber Sorgen um den Weltfrieden oder so was, Maddie«, sagte Sue. »Nutze deine Energie weise.«
»Ach ja, weil sich der Einsatz für den Weltfrieden historisch als nicht frustrierende Unternehmung erwiesen hat?«, gab ich zurück.
Pagan legte den Kopf auf die Armlehne und schloss die Augen.
»Ist doch egal. Ich bin einfach nur froh, dass sie nicht mehr hier ist und mich volllabert.«
Draußen hörten wir das Scheppern einer schweren Kette, als jemand sein Fahrrad anschloss.
»Hört!«, rief Dean, »es klingelt zum
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