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Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Read
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Pagans griechische College-Mitbewohnerin Marilli einen dieser »Verpiss-dich-Tage« nannte.
    Während der ersten zwei Stunden war unsere Seite des Büros nur von Yong Sun und mir bemannt, und da wir gerade eine riesige neue Buchlieferung von Baker & Taylor ins Lager bekamen, bediente ich die Telefone allein.
    Was sich als angenehm erwies. Bis auf eine wütende Quebecerin, die stinksauer war, weil ich auf ihre Bitte um eine Liste »kanadischer Literatur« die Werke von Robertson Davies erwähnte, waren die Kunden, die an diesem Morgen anriefen, durchgängig cool, witzig und höflich.
    Bis neun hatte der Bustelo seine Wirkung voll entfaltet, und ich quasselte mit einem schlaflosen Noir-Fan aus Maui.
    Eben hatte ich ihn überredet, Charles Willefords Hahnenkampf zu bestellen.
    »Was soll ich noch nehmen?«, fragte mein übernächtigter neuer Kumpel in Lahaina.
    »Haben Sie schon was von Jim Thompson gelesen?«, fragte ich.
    »Nennen Sie ein paar Titel«, sagte er. »Die Autoren vergesse ich immer.«
    »Also, aus dem Stegreif: 1280 schwarze Seelen, Der Mörder in mir, Texas an der Kehle, Höllenweib …«
    »Und Sie stehen auf den Typen, ja?«
    »Pfadfinderehrenwort«, sagte ich. »Thompson ist Mega-Pulp.«
    Mein Freund aus Maui und ich einigten uns auf fünf Bände der Wiederauflage bei Black Lizard.
    »Sie werden voll darauf abfahren, das verspreche ich Ihnen«, sagte ich, als ich die Bestellung abschloss. »Thompson ist der Dostojewski der Zeitungskioske.«
    Und wäre der perfekte Moderator unseres nächsten Familientreffens.
    Gegen halb zwölf rief ich Cate wegen unseres Treffens am Nachmittag an.
    Als wir aufgelegt hatten, zeigte Yumiko auf mein Telefon. »Noch so eine durchgeknallte weiße Schlampe, die was von dir will. Leitung zwei.«
    Sie zündete sich eine Marlboro an, vor Verachtung triefend.
    Ich nahm ab, und aus dem Hörer troff mir noch mehr Verachtung entgegen.
    »Madeline«, sagte Astrid, »mit was für widerlichen Menschen musst du dich in deinem schrecklichen Job abgeben?«
    »Grobiane. Flittchen.«
    »Die arrogante Zicke hat mich in die Warteschleife geschoben.«
    »Alles in Butter auf der H. M. S. Feudalismus ?«
    »Zieh Leine«, sagte sie.
    »Gerne«, sagte ich und legte auf.
    Im gleichen Moment leuchtete Leitung zwei.
    »Sieh mich bloß nicht an, Schlampe«, sagte Yumiko.
    Ich nahm den Hörer ab. »Sie sprechen mit dem Sekretariat. Wie kann ich mich erniedrigen, um jeder ihrer kaiserlichen Launen nachzukommen?«
    »Leck mich am Arsch«, sagte Astrid.
    »Als hättest du einen, Klappergestell.«
    Jetzt musste sie lachen. »Chrissy möchte, dass ich dich und Dean am Wochenende nach Southampton einlade.«
    Ich kreuzte die Finger hinter dem Rücken, weil ich seit dem Windelalter alles hasste, was mit den Hamptons zutun hatte. »Es ist uns eine große Freude, die reizende Einladung anzunehmen.«
    »Ihr habt doch irgendwo ein Auto stehen?«
    »In Locust Valley.«
    »Wie sind die Helden gefallen.«
    »Ah«, entgegnete ich, »und wie sind die Flaschen emporgekommen.«
    »Ich soll dir ein Küsschen von Camilla ausrichten.«
    »Was du nicht sagst. Richte ihr aus, ich will meine verdammte Nase wiederhaben.«
    »Du hast das ganze Wochenende, um es ihr selbst zu sagen, Madeline. Wir fahren gerade zusammen raus.«
    O Freude. O Verzückung.
    »Bitte, lieber Gott«, murmelte ich, »mach, dass ich noch Percodan übrig habe.«
    Diesmal legte sie auf.
    Southampton. Scheiße .
    Cate hatte mir Mrs Underhills Telefonnummer aufgeschrieben. Ich nahm den Zettel aus meiner Tasche und begann zu wählen.

21
    Zwei Stunden später stand ich in Jamaica am Straßenrand und suchte den Verkehr nach Cates Wagen ab, doch das bevorstehende Wochenende mit Astrid ging mir nicht aus dem Kopf.
    Das mit dem Percodan war kein Witz gewesen.
    So sehr hasste ich alles, was mit den Hamptons zu tun hatte: Würde jemand zu mir sagen, »Du bekommst fünf Wurzelbehandlungen und danach ein Mittagessen im Maidstone Club«, würde ich mir die Narkosen aufsparen und sie mir im Clubhaus auf der Damentoilette alle auf einmal spritzen in der Hoffnung, dass ich bewusstlos mit dem Gesicht in den Hummersalat sank.
    Und Southampton im Besonderen? Das Nest war zum Kotzen, ein überteuerter Trump-mäßiger Trailerpark, bevölkert ausschließlich von Dobermännern mit Habsburger Lippe.
    Die Aussicht, meine gesellschaftlichen Lenden zwei volle Tage lang mit der Astrid und Cammy Show zu gürten, war schon in den besten Zeiten schmerzhaft – achtundvierzig Stunden

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