Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)
Lästern über Leute, die ich nicht kannte, und Orte, die ich mir nicht leisten konnte, gespickt mit Insiderpointen im jüngsten Slang von Sprachen, die ich zufälligerweise nicht sprach.
Doch als Sahnehäubchen nach dem Doppelschlag der Enthüllungen in Sachen Teddy Underhill und Pierce Capwell würde ich das Wochenende wahrscheinlich nicht überleben.
Trotzdem müsste ich gute Miene zum bösen Spiel machen,denn Dean brauchte den Job, und wir beide brauchten seinen Gehaltsscheck.
Ich trat vom Bordstein zurück, als ein Wagen, der nicht Cates war, direkt vor mir hielt. Das Beifahrerfenster glitt herunter, und eine Frauenstimme rief: »Yo, Madeline.«
Skwarecki war da, um mich abzuholen.
»Geht es Cate nicht gut?«, fragte ich besorgt.
»Alles bestens. Ich hatte nur das Gefühl, sie hat viel um die Ohren, deshalb habe ich vorgeschlagen, dass ich Sie abhole.«
Skwareckis Radio schepperte und zirpte auf dem Weg zum Friedhof, und zwischendurch tauschten raue Stimmen numerische Codes aus.
»Was macht das Geschäft?«, fragte ich.
»Mrs Underhill hat heute Morgen Teddys Turnschuh identifiziert.«
»Ich weiß«, sagte ich. »Sie hat mich später zum Tee eingeladen.«
»Arme Frau«, sagte Skwarecki.
»Ich frage mich, ob die Gewissheit, dass das Kind tot ist, für sie das Schlimmste ist oder auch irgendwie eine Erlösung sein kann, wissen Sie?«
Skwarecki bremste an einer roten Ampel. »Nach meiner Erfahrung beides. Beides sehr .«
»Wusste sie über Teddy Bescheid – seine Verletzungen –, bevor er starb?«, fragte ich.
»Wir haben noch nicht mit ihr darüber gesprochen. Schwer zu sagen, wie sie reagiert, wenn sie davon erfährt – falls sie es nicht weiß.«
»Sie muss es wissen.«
Skwarecki zuckte die Schultern. »Und wenn schon, die Frage ist, was ist sie bereit zu tun. Manchmal spaltet ein Tod wie dieser eine Familie; manchmal schweißt er sie fester zusammen.«
»Und manchmal stecken alle Beteiligten den Kopf in den Sand.«
Skwarecki warf mir einen Blick zu und zog die Brauen hoch, ohne etwas zu sagen.
Schlaue Person.
War Mom, als wir Kinder waren, wirklich so ahnungslos in Bezug auf Pierce?
Ich verschränkte die Arme. »Aber haben Sie irgendein Gefühl, ob sie was wusste?«
»Klingt nicht so. Andererseits hat Teddys Mutter bei ihr gewohnt, seit sie neun Jahre alt war. Mrs Underhill hat sie praktisch großgezogen.«
»Wie heißt Teddys Mutter?«
»Angela.«
»Und was ist mit Angelas Mutter?«
»Erschossen«, sagte Skwarecki. »Von ihrem Freund.«
»Oh Gott.«
»Üble Sache. Als Kind hat Angela jahrelang mitbekommen, wie ihre Mutter von einer Reihe von Typen windelweich geprügelt wurde, und am Ende war sie dabei, als sie starb.«
»Wurden nicht die meisten Missbrauchstäter selbst missbraucht?«
»Schon«, sagte sie.
»Sie bekommen einiges zu sehen, oder?«
»Aber wissen Sie was? Nicht alle , die als Kind misshandelt wurden, misshandeln später andere Kinder. Die meisten tun es nicht – selbst die nicht, die die schlimmsten Arten von körperlichem Missbrauch erlebt haben, die man sich überhaupt vorstellen kann.«
Skwarecki setzte den Blinker und sah in den Rückspiegel, dann bog sie links ab.
»Ich sage nicht, dass solche Sachen einen nicht irre im Kopf machen, aber die Hand gegen ein Kind erheben? Dafür trägt jeder selbst die Verantwortung. Es ist nichtunausweichlich. Es ist keine Erbkrankheit. Jeder hat die Wahl.«
Sie fuhr langsamer, wartete auf eine Lücke im entgegenkommenden Verkehr, dann bog sie in den Schatten der holprigen Gasse vor dem Friedhof ein.
»Ich finde, ehrlich gesagt, wenn man es selbst erlebt hat, ist es noch schlimmer«, sagte ich. »Ich habe kein bisschen Mitleid mit Leuten, die das Gleiche später anderen antun.«
Sie nickte, als wir vor dem Friedhofstor stehen blieben.
Ich legte die Hand an den Türgriff, aber ich stieg noch nicht aus.
Skwarecki zog die Handbremse an. Dann legte sie beide Hände auf das Lenkrad.
»Wie ich gestern schon gesagt habe, Sie scheinen sich auszukennen.«
»Im Vergleich zu einem Kind wie Teddy weiß ich gar nichts .«
Skwarecki sah mich an. »Es liegt eine Menge Holz zwischen Vater ist der Beste und ›von einem Crack-Junkie zu Tode geprügelt‹.«
»Allerdings«, sagte ich.
»Vielleicht haben wir beide unsere Gründe, warum uns die Geschichte so mitnimmt.«
»Irgendwie habe ich als Kind die Risse in der Oberfläche gesehen. Die Art von Rissen, die immer tiefer werden, bis schlimme Dinge reinsickern und die Lücken
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