Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Read
Vom Netzwerk:
Motoren von einem Chor Grillen übertönt.
    Ich wollte nicht an Leute denken, die an Krebs starben oder Kinder totschlugen, aber die Alternative waren die seelischen Abgründe meiner Mutter, die bis heute übelkeitserregend freundlich zu Pierce Capwell, dem Kinderschänder, war.
    So schwer ich es früher hatte, konnte ich mir nicht ausmalen, wie exponentiell schlimmer es für Pagan gewesen sein musste. Ich fragte mich, ob sie darüber je mit jemand anders als Mom und mir gesprochen hatte – ob Sue davon wusste, oder ob es ihr recht wäre, wenn ich es Dean erzählte.
    Den Rest des Wegs dachte ich an einen Sommernachmittag in Kalifornien, als ich sechzehn war, ein paar Monate nachdem Mom und Pierce sich getrennt hatten, während Pagan auf dem Internat und ich auf dem College war.
    Mom hatte eine Affäre mit einem Typ namens Fassett angefangen, den ich gernhatte, und sie und ich spülten in der Küche von Fassetts Apartment das Mittagsgeschirr, während Pagan auf den Tennisplätzen der Wohnanlage dem siebenjährigen Trace Tennis beibrachte.
    Plötzlich platzte Pierce in die Wohnung des neuen Mannes und begann, von Zimmer zu Zimmer zu rennen, wobei er fürchterliches Zeug über Mom brüllte und wie sie ihn betrogen habe, was besonders schamlos und lächerlich war, da rausgekommen war, dass er seit mindestens einem Jahr seine hässliche Praktikantin am Forest Theater gevögelt hatte, bevor Mom ihn endlich vor die Tür setzte.
    Sie stand am Herd, als Pierce in die Küche stürmte.
    Er schlug ihr einmal auf den Mund – fest –, und dann lief plötzlich alles in Zeitlupe ab.
    Ich griff nach dem langen Küchenmesser in der Spüle und drehte mich um.
    Dann hielt ich das Messer hoch, damit er sah, dass die Spitze der Dreißig-Zentimeter-Klinge auf seine Kehle gerichtet war, und legte ihm ganz ruhig nahe, er möge meine Mutter in Ruhe lassen.
    Pierce taumelte rückwärts aus der Küche, drehte sich auf den dürren Hühnerbeinen um und rannte zur Haustür.
    Er muss gespürt haben, dass ich ihm folgte, denn er konnte dem Impuls nicht widerstehen, sich draußen auf der Fußmatte noch einmal umzudrehen.
    Die Hand am Türknauf sah er mir direkt in die Augen, während er noch einmal den Mund aufriss: »Hättest du das Messer nicht in der Hand, du kleine Fotze, hätte ich dich windelweich geprügelt.«

24
    Sue und Dean und Pagan waren schon beim Essen, als ich endlich ein Parkhaus im Meatpacking-District gefunden hatte, das ich mir halbwegs leisten konnte, aber der Burrito, den sie mir von Benny’s mitgebracht hatten, war noch warm.
    Christoph hatte Dean früher aus New Jersey zurückgebracht, weil er vor dem Berufsverkehr nach Long Island aufbrechen wollte, um pünktlich zum Essen mit Astrid und Cammy in Southampton zu sein.
    »Können wir nicht Samstagfrüh rausfahren statt morgen?«, fragte ich. »Auf dem Long Island Expressway war schon auf dem Weg hierher totales Chaos.«
    »Frag Astrid«, sagte er.
    Ich rief den Anrufbeantworter an der Upper East Side an und hinterließ eine Nachricht, denn ich vertraute darauf, dass sie ihn stündlich abhörte.
    Sue sah auf die Uhr. »Witzig, sie hat sich heute noch gar nicht gemeldet – nicht mal, um beim Essen zu stören.«
    »Sie hängt mit ihrer anderen Freundin rum«, erklärte ich.
    »Und ich dachte schon, wir hätten sie erfolgreich von La Bella Città Roma überzeugt«, sagte Pagan.
    Dean schüttelte den Kopf. »Nutty Buddy ist über den Ostzipfel von Long Island nicht hinausgekommen, Gott sei’s geklagt«, erklärte er, das Näseln der Snobs imitierend.
    »Trotzdem«, sagte Sue. »Die Hoffnung stirbt zuletzt.«
    »Ihr geht es nicht gut, Leute«, entgegnete ich.
    »Mir blutet das Herz«, sagte Pagan.
    »Ich weiß«, sagte ich, »aber sie ist meine Freundin.«
    »Madeline, warum befreundest du dich eigentlich immer mit durchgeknallten Zicken?«, fragte Sue.
    »Hm – weil ich selbst eine bin?«
    »Ach ja«, sagte sie, »das vergesse ich immer.«
    Pagan schnippte mit den Fingern und sah mich an. »Hey, da fällt mir was ein. Deine Mutter hat angerufen.«
    » Meine Mutter?«, sagte ich. »Ich hatte sie letzten Monat.«
    Pagen knüllte die Alufolie ihres Burritos zusammen und warf sie mir an den Kopf. »Sie kommt am Montag aus Maine runter«, sagte sie. »Mit irgendeinem neuen Typen im Schlepptau, den wir kennenlernen sollen.«
    »Puh«, sagte ich, »das wird ein Spaß.«
    Pagan zuckte die Schultern. »Er lädt uns zum Essen ein. In den 21-Club.« Der 21-Club war ein uralter

Weitere Kostenlose Bücher