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Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Read
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Der peitschende Regen ließ ihre Elemente rotieren wie eine riesige Käsereibe.
    Im Eingangsbereich des Gerichts war der Boden schmutzig und nass. Ich stellte mich in die Schlange vor dem Metalldetektor und musterte die Menge, bis ich Skwarecki entdeckte, die mir zuwinkte.
    »Kein Regenmantel?«, fragte sie, als ich es geschafft hatte. »Haben Sie vor, sich eine Lungenentzündung zu holen?«
    Wir standen in einem hohen Atrium voller Menschen. Dutzende von Stimmen hallten von den Wänden wider.Skwarecki marschierte mitten durch die Menge, und ich trottete hinter ihr her. Wir passierten mehrere Gerichtssäle. Alles, was ich durch die Scheiben in den Flügeltüren sehen konnte, war die Inschrift IN GOD WE TRUST über dem Richter am Ende jedes Saals.
    Skwarecki zeigte einem Mann in beiger Uniform ihre Marke und sagte: »Sie gehört zu mir.« Er winkte uns in einen weiteren langen Flur. Die Namen an den Bürotüren, an denen wir vorbeikamen, waren ein internationales Potpourri: Tsangarakis, Seide, Murphy, Chu, Lapautre.
    Schließlich erreichten wir ein Vorzimmer mit einer Phalanx unbestechlich wirkender Frauen, die meine Mutter als »grimmige Walküren« bezeichnet hätte.
    Die Dame in der Mitte hielt die Hand hoch, bis sie einen Anrufer weiterverbunden hatte, dann lächelte sie Skwarecki an. »Was bringt Sie an diesem schönen Morgen her?«
    »Hallo, Rosemary«, sagte Skwarecki. »Wir haben einen Termin bei Louise Bost.«
    »Ich sage Bescheid, dass Sie da sind.« Rosemary reichte mir eine Liste, auf der ich unterschreiben musste, und gab mir einen »Gast«-Aufkleber mit Barcode, den ich mir an den Mantel klebte. Dann drückte sie einen Knopf, und vor uns öffnete sich eine schwere Flügeltür.
    Der Flur dahinter war vom Boden bis zur Mitte in einem glänzenden Amtsgrün gestrichen, darüber waren die Wände gräulich weiß. Wir gingen an einer Reihe gerahmter Porträts vorbei, ehemalige Oberstaatsanwälte in chronologischer Reihenfolge seit den zwanziger Jahren. Steife Zelluloidkragen wichen weicheren Stoffen, während Querbinder von Windsor-Knoten abgelöst wurden.
    Louise Bosts Büro kam gleich nach einem Gruppenfoto aus den Siebzigern, der Breite der Revers nach zu schließen.
    Skwarecki gab ein Klopfzeichen, dann öffnete sie die Tür. Ich folgte ihr.
    Die Staatsanwältin stand auf, um sich noch mal vorzustellen, und gab mir über dem Schreibtisch die Hand.
    »Detective«, sagte sie. »Vielen Dank, dass Sie Ms Dare heute hergebracht haben.«
    Skwarecki nickte. »Kein Problem. Ich dachte, sie kann ein bisschen Navigationshilfe gebrauchen – vielleicht können wir im Anschluss zusammen Mittagessen gehen.«
    Wir setzten uns in die Besucherstühle. An der Pinnwand hinter der Staatsanwältin hingen ein paar Schnappschüsse und fotokopierte Cartoons, das Fenster links bot die deprimierende Aussicht auf das Wetter. Außerdem hing ein gerahmtes Schwarz-Weiß-Foto des alten Stahlglobus in Flushing Meadows an der Wand, eine Erinnerung an die Weltausstellung 1964.
    »Wie ich sehe, bewundern Sie die Unisphere«, sagte Louise Bost. »Das inoffizielle Wahrzeichen von Queens.« Sie lächelte.
    »Es war immer das Erste, was ich auf der Fahrt vom Flughafen wiedererkannte, wenn ich als Kind an die Ostküste kam«, sagte ich. »Den Globus und die Türme mit den Pfannkuchen drauf.«
    »Ich hatte immer eine Schwäche für das Ding«, erklärte Louise Bost. »Ich weiß noch, wie mich mein Vater mitgenommen hat und wie wir direkt darunter standen, in seinem Schatten. Er war so aufgeregt wegen des anbrechenden Raumzeitalters.«
    »Ich war noch nie näher dran«, sagte ich.
    »Er ist riesig – zwölf Stockwerke hoch. Damals gab es Fontänen, die kreuz und quer darüberspritzten. Es war wirklich toll.«
    »Was sind das für Ringe?« Ich zeigte auf drei silberne Kreise, die um die Kugel herumliefen.
    »Das sind Umlaufbahnen«, erklärte Louise. »Sie stellen die Wege von Gagarin, Glenn und dem Telstar-Satelliten dar.«
    »Cool.« Ich drehte mich wieder um und sah sie an.
    »Oh, verdammt «, rief sie und starrte zur Decke.
    Als ich ihrem Blick folgte, sah ich einen feuchten gelblichen Fleck. Zwei dicke Tropfen klatschten auf den Schreibtisch, wenige Zentimeter neben einen dicken Aktenordner.
    Louise Bost schnappte den Ordner, bevor aus dem Tropfen ein Rinnsal wurde. »Herrgott noch mal, diese verdammte Bruchbude …«
    Skwarecki stand auf. »Wie wäre es, wenn wir gleich zu einem frühen Mittagessen gingen?«
    »Ausgezeichneter Plan«, sagte

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