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Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Read
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tröstet der Neue sie«, sagte Sue. »Vielleicht entpuppt er sich als netter Kerl.«
    Meine Schwester und ich seufzten.
    »Was denn?«, fragte Sue.
    Pagan sagte: »Die Netten halten nie lange …«
    »Weil Mom sich langweilt«, erklärte ich. »Am Ende tun sie uns immer schrecklich leid.«
    »Gott sei Dank, dass ich kein Goi bin«, murmelte Sue. »Ihr habt sie doch nicht mehr alle.«
    »Wir sind mit unserer Mutter verabredet«, sagte ich zum Maître d’hôtel.
    »Unter welchem Namen wurde reserviert?«
    »Constance Jones?«, schlug ich vor. In den letzten Jahren hatte Mom häufiger ihren Mädchennamen benutzt.
    Er suchte in seinem großen in Leder gebundenen Kalender. »Tut mir leid, eine Mrs Jones haben wir hier nicht.«
    »Hm, vielleicht Constance Capwell?«, fragte ich.
    Er sah mich an und schüttelte den Kopf.
    »Dare?«, fragte ich, auch wenn ich nicht wirklich glaubte, dass sie Dads Namen genannt hätte.
    Wieder Kopfschütteln.
    »Dougherty?«, fragte Pagan, der Name unseres ersten Stiefvaters.
    »Sind Sie sicher, dass Sie heute verabredet sind?«, fragte er, nicht ohne Mitgefühl. »Ich kann gerne für morgen nachsehen.«
    Glücklicherweise rauschte im gleichen Moment meine Mutter herein, am Arm eines wohlbeleibten grauhaarigen Herrn mit Brille und der vollen Brooks-Brothers-Montur.
    »Larry McCormack«, sagte er. »Tisch für fünf Personen, unten.«
    Der Maître d’hôtel deutete eine Verbeugung an. »Sehr gern, Sir.«
    Larry McCormack wandte sich mit derart guter Laune an mich, Sue und Pagan, dass er fast albern wirkte.
    Sein blauer Blazer war aufgeknöpft. Darunter kam ein dicker Bauch zum Vorschein, der sich über eine rote Hose wölbte und den mit Walen bestickten Gürtel fast ganz verdeckte. Seine Mokassins waren am Absatz abgelaufen und verrieten die Yankee-typische Abneigung gegen Schuhcreme.
    Die Tracht der Schwerreichen.
    Mom stellte uns vor, und Pagan und ich sahen ihm beim Händeschütteln in die Augen und sagten: »Sehr erfreut.«
    Dann war Sue an der Reihe, die ihm dankte, dass sie auch dabei sein durfte.
    Wir wurden zu einem Tisch mit blütenweißem Tischtuch in der Bar im Souterrain geführt, wo unzählige Spielzeugflugzeuge, -lastwagen und -eisenbahnen von der Decke hingen, viele davon mit Firmenlogos – Souvenirs von Stammgästen, wie ich annahm.
    Der Maître d’hôtel rückte unsere Stühle zurecht, verteilte Speisekarten und verschwand mit dem sprichwörtlichen Kratzfuß.
    Larry zog Moms Stuhl zurück, dann nahm er neben ihr Platz. Er grinste immer noch. Es war ziemlich irritierend.
    »Wer macht mit beim Shrimps-Cocktail?«, fragte er und rieb sich wohlig die großen Pranken.
    Ich stieß Pagans Fuß an und flüsterte: »Sechs Monate. Maximum.«
    Sie hielt sich die Hand vor den Mund und täuschte ein Hüsteln vor. »Hundert Mäuse, dass er Thanksgiving nicht erlebt.«
    Während wir uns die Servietten auf den Schoß legten, schüttelten wir uns unter dem Tisch die Hand.
    »Wie war die Fahrt?«, fragte Sue.
    »Nicht schlimm«, sagte Mom. »Wir sind heute Morgen über den Taconic gekommen.«
    Larry schürzte die Lippen. »Wird Zeit, dass sich jemand um die Bäume da oben kümmert. Habe noch nie einen Wald gesehen, der sich so nach einer Papierfabrik gesehnt hat.«
    »In welchem Geschäft sind Sie, Mr McCormack?«, fragte Pagan.
    »Energie«, sagte er. »Ich habe mich natürlich längst zur Ruhe gesetzt. Aber es war eine schöne Zeit – tolle Leute, tolles Geschäft.«
    »Waren Sie in einer bestimmten Sparte tätig?«
    »Ich habe mein Herz der saubersten Energie der Welt verschrieben«, erklärte er. »Der Atomkraft.«
    Pagan verschluckte sich an ihrem Eiswasser. Sue versuchte, ihr diskret auf den Rücken zu klopfen.
    Der Kellner schlich heran, um die Getränke aufzunehmen.
    Da sie wahrscheinlich kein Methadon ausgaben, bestellte ich Gin.
    »Ihr habt von Maine den Taconic Parkway genommen?«, fragte Pagan. »Ich dachte immer, der schnellste Weg ist die I95. Habt ihr nicht in Hartford übernachtet?«
    »Wir haben das Wochenende mit Larrys Jüngstem in Litchfield verbracht«, erklärte Mom. »Wir hatten so viel Spaß!«
    »Ich hoffe, ihr Mädchen nehmt es uns nicht übel, dass wir es meinen Kindern zuerst gesagt haben«, sagte Larry.
    Pagan neigte den Kopf in meine Richtung und zischte: »Die verarschen uns jetzt, oder?«
    Mom kraulte mit der freien Hand zärtlich die Innenseite von Larrys Handgelenk und warf ihm einen Belohnungsblick von der Seite zu.
    Er räusperte sich, und seine Wangen

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