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Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Read
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Moores Sohn. Ich glaube, er war fünf oder sechs …«
    »Und sie schickten ihn aufs Internat ?«, fragte Dean.
    Astrid sah sich um, als wäre sie auf der Suche nach einem cooleren Tisch, an den sie ausbüchsen könnte.
    Blöde Kuh, die Geschichte ist gut.
    »Er und Arabella fuhren zusammen im Schlepplift«, sagte ich. »Ihr wisst schon, man schiebt sich den Bügel unter den Hintern, ohne richtig drauf zu sitzen.«
    Christoph griff mit den Stäbchen nach einem Stück toro und nickte lächelnd.
    Ich nahm mir auch ein Stück, allerdings mit den Fingern, weil ich mir mit der linken Hand die Stäbchen nicht zutraute.
    »Nur dass der Kleine im Kindergarten ist und sie für zwölf schon ziemlich groß«, fuhr ich fort. »Die Fahrt war also ziemlich wackelig.«
    Astrid gähnte. Der Teller vor ihr war immer noch leer.
    »Als sie oben sind, sieht er Arabella von oben bis unten an, dann sagt er: ›Du hast einen Arsch wie ein Brauereipferd‹, und saust ins Tal davon.«
    Christoph und Dean lachten.
    Astrid beugte sich vor, mit wutverzerrtem Gesicht, und zischte: »Wagt es nicht, mich auszulachen.«
    Und bevor irgendjemand reagieren konnte, streckte sie beide Arme aus und fegte damit über den Tisch, vor Anstrengung knurrend, als sie alles, was darauf stand, auf den Boden schmiss – Suppenschalen und Sushi-Teller, Sojasoßenflaschen und Sake, selbst die Langhalsvase mit den Blumen – alles endete in Scherben auf den Fliesen.
    Dann stand Astrid keuchend auf, mit weit aufgerissenen Augen, sodass rund um die dunkle Iris das Weiße leuchtend hell zu sehen war.
    Im ganzen Restaurant was es mucksmäuschenstill.
    »Ich hasse euch«, erklärte sie mit merkwürdig ruhiger Stimme.
    Sie sah Christoph an, dann Dean, dann mich. »Ich hasse euch alle.«
    Christoph sagte: »Liebling …«
    Sie schlug nach ihrem Stuhl, der umfiel. Dann ging sie, ihre Schritte der einzige Laut im totenstillen Raum.
    Die Tür fiel hinter ihr zu, und sekundenlang sprach keiner ein Wort, bis sich ein summendes Stimmengewirr erhob.
    Seltsam elegant sprang Christoph auf die Füße. »Bitte entschuldigt vielmals. Meiner Frau geht es nicht gut, ich muss sie nach Hause bringen.«
    »Natürlich«, sagten wir und fragten, ob wir irgendetwas tun könnten.
    Er schüttelte den Kopf. »Danke, dass ihr uns beiden so gute Freunde seid. Es bedeutet mir sehr viel.«
    Mit der Brieftasche in der Hand wandte er sich an den herbeieilenden Oberkellner, um ihn zu beruhigen.
    Dean drückte das Knie an meins. Ich sah zu, wie der letzte Zipfel des fleckigen Tischtuchs vom Tisch rutschte, eine weiße Flagge, die sich der Schwerkraft ergab.
    Mein Gips war voll mit Sojasoße.
    Astrid rief mich bei der Arbeit an.
    Keine Begrüßung, keine Entschuldigung, sie kam direkt zur Sache, als ich die Taste von Leitung drei drückte: »Ich muss ihn verlassen.«
    Sie blies Rauch in die Sprechmuschel auf ihrer Seite.
    »Hast du mich gehört?«
    »Ja.«
    »Und?« Sie zog wieder an der Zigarette. »Sagst du nichts?«
    »Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.«
    »Du musst mir helfen. Du weißt nicht, wie es ist.«
    »Du hast recht. Das weiß ich nicht.«
    Ich hörte das Klicken des Feuerzeugs. Die nächsten Worte nuschelte sie mit der neuen Zigarette im Mund. »Er lässt mich von jemandem beobachten.«
    »Christoph?«
    Sie atmete aus. Ich hörte das Klicken von Ledersohlen auf Parkett. Anscheinend ging sie auf und ab.
    »Astrid«, sagte ich, »ist das dein Ernst?«
    »Ich schwöre es.«
    »Na gut, aber wie genau macht er es?«
    »Er hat Leute angeheuert.«
    »Wie meinst du das, Leute?«
    »In der Wohnung auf der anderen Straßenseite. Mit Fernrohren.«
    Ach du Scheiße.
    Sie schwieg einen Moment.
    »Ich werde wahnsinnig, Maddie, oder?«, fragte sie mit sanfter Stimme.
    »Ja.« Ich wusste nicht, was ich sonst sagen sollte.
    Das Klicken hörte auf. »Wie schlimm ist es?«
    »Hm. Du klingst wie mein Vater.«
    »Oh Gott. So schlimm?«
    »Ich weiß nicht. Hast du Angst, dass der KGB deine Post liest?«
    »Du meinst also, ich habe nicht mehr alle Tassen im Schrank?«
    Fast klang sie erleichtert.
    »Astrid, es tut mir echt leid, aber ich kann dir hier nicht helfen. Du musst zu einem Fachmann gehen.«
    »Ja«, sagte sie.
    »Was sagt Christoph?«
    Sie begann zu weinen. »Er hat mich wirklich die Treppe runtergestoßen.«
    »Schsch«, sagte ich. »Keine Angst, ich glaube dir.«
    »Ich weiß nicht, was ich machen soll.«
    »Willst du herkommen?«
    Es war still. Sie schniefte nicht mehr. Ich hörte ihr einfach eine

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