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Der Junge, der Anne Frank liebte

Der Junge, der Anne Frank liebte

Titel: Der Junge, der Anne Frank liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Feldmann
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weitergehen, aber sie blieb stehen. »Willst du damit sagen, daß du kein Jude bist?«
     »Ich sage gar nichts. Du bist, Harry ist und das Mädchen im Tageslager.«
     Sie zog ihre Hand aus meiner. »Das ist kein Spaß.«
     »Natürlich ist es einer.«
     Sie nahm meine Hand, und wir gingen weiter. »Gott sei Dank. Für eine Minute hast du mich beunruhigt.«
     Wir liefen schweigend nebeneinander her, versuchten, unsere Schatten einzuholen.
     »Trotzdem denke ich, daß du über so etwas nicht spaßen solltest. Auch Harry nicht.«
     Wir gingen weiter. Ich sagte noch immer nichts. Sie blieb stehen. »Es ist Spaß, nicht wahr?«
     Ich wandte mich ihr zu. Wir standen genau zwischen zwei Straßenlampen, und ihr Gesicht lag im Schatten. Ich hoffte, meines auch. »Ich finde es seltsam, daß dir das so wichtig ist«, sagte ich.
     »Selbstverständlich ist es wichtig.«
     »Ich bin dieselbe Person, so oder so.«
     »Das ist nicht der Punkt.«
     »Was ist der Punkt?«
     »Warum hast du es mir nicht gesagt?«
     »Was soll ich dir gesagt haben?«
     »Daß du nicht…« Sie hielt inne. »Peter, nimmst du mich auf den Arm? Wenn das so ist, werde ich dir das nie verzeihen.«
     »Ich wette, du tust es doch«, sagte ich und griff nach ihr, doch sie wich einen Schritt zurück.
     »Sag's mir, bist du oder bist du nicht.« Nun störte ihre Stimme den Frieden der baumgesäumten stillen Straße.
     Ich versuchte weiterzugehen, aber sie blieb wie angewurzelt stehen. »Sag mir die Wahrheit, Peter.«
     Alles, was ich ihr hätte sagen können, war meine Wahrheit. Ich liebte sie, aber ich liebte die eigene Haut noch mehr. Wenn sie das nächste Mal kämen, würde ich nicht da sein.
     »Ich bin nicht.«
     Ihr Einatmen klang wie der Wind in den Blättern über uns.
     »Es macht keinen Unterschied.« Ich streckte die Hand nach ihr aus. Sie wich wieder zurück. »Ich würde mich nie in deine Glaubensfragen einmischen. Ich werde sogar die Kinder wie Juden aufziehen«, versprach ich, obwohl ich wußte, daß ich das nicht tun würde. Das nächste Mal, wenn sie kamen, würden meine Kinder ebenfalls nicht da sein. Ich konnte nichts an der Tatsache ändern, daß sie eine jüdische Mutter hätten. Ich hatte nie vorgehabt, mich in eine Jüdin zu verlieben. Bestimmt hatte ich mich nicht in sie verliebt, weil sie eine Jüdin war, egal, was Dr. Gabor glaubte. Aber nach unserer Hochzeit, wenn wir Kinder hätten, würde ich einen Weg finden, um die Spuren zu verwischen. Doch das sagte ich ihr zu diesem Zeitpunkt nicht.
     Sie ging weiter, mit abgewandtem Kopf, mit kräftigen Schultern, ihre hohen Absätze klapperten in kurzen, wütenden Schritten über das Pflaster. Die hohen Absätze dehnten ihre Waden, und als sie von mir wegging, stachen mir diese Muskeln, gespannt wie ein Bogen, direkt ins Herz.
     »Ich kann dich nicht mehr sehen«, sagte sie. »Es tut mir leid, aber ich kann es einfach nicht.«
     Ich verlängerte die Schritte, um sie einzuholen. »Das ist doch lächerlich.«
     »Du verstehst das nicht.«
     »Nein, und ich habe auch die Rassengesetze der Nazis nicht verstanden, die eine Verbindung zwischen Juden und Nichtjuden verboten haben.«
    »Das ist schrecklich, was du da sagst.«
    »Vielleicht, aber es ist die Wahrheit.«
     Sie blieb stehen und drehte sich zu mir um. »Ich würde meinen Eltern das Herz brechen.«
     »Deine Eltern mögen mich«, sagte ich, obwohl ich wußte, daß dies nur zur Hälfte stimmte. Ihr Vater mochte mich. Ihre Mutter, wie ich schon sagte, war nicht so leicht zu gewinnen. Einige Cousins und Kusinen nach dem Krieg herüber nach Amerika zu holen war eine Sache, aber eine ganz andere war es, die Tochter, die erstgeborene, ein schönes Mädchen, ein kluges Mädchen, ein Mädchen, das jeden Mann hätte haben können, einen von jenen heiraten zu lassen.
     »Ich kann es nicht tun. Ich kann keinen Nichtjuden heiraten.«
     Ich stand gefangen in einem düster-weißen Lichtkreis. Sogar wenn ich ihr die Wahrheit erzählte, sogar wenn sie mir glaubte, würde es alles nur noch schlimmer machen. Jetzt war ich einfach ein Nichtjude, jemand, den zu heiraten für sie nicht in Frage kam. Wenn ich die Wahrheit gestand, wäre ich ein Jude, der versagt hatte, jemand, den sie nur verachten könnte.
     Jetzt weinte sie. »Ich kann es nicht ändern, Peter«, sagte sie und bot mir ihr tränenüberströmtes Gesicht dar. »Vielleicht hätte ich es früher gekonnt, vor dem Krieg. Damals schien das nicht so wichtig zu sein. Aber

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