Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Junge, der es regnen liess

Der Junge, der es regnen liess

Titel: Der Junge, der es regnen liess Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Conaghan
Vom Netzwerk:
Das fiel mir nicht weiter schwer, denn meine Freunde konnte ich an einer Hand zählen, meine Bekannten an der anderen. Hinter ihren Blicken konstruierten sie bereits ein neues Gerücht, eines, das über simple Fragen und Schlussfolgerungen hinausging. In ihren Köpfen versuchte jeder Einzelne von ihnen, mich zu durchschauen, und darauf richteten sie ihre Gespräche, ihr Starren, ihr Schweigen aus. Das war noch okay, viel schlimmer für mich war das Lachen hinter vorgehaltener Hand. Damit konnte ich mich anscheinend einfach nicht abfinden. Oder dieses übertriebene Kichern, wenn ich an ihnen vorüberging. Für gewöhnlich dauerte es etwa fünf Schritte, ehe es einsetzte. Das ging mir durch und durch.
    Und dabei ging es ja gar nicht allein um diese krebsartigen Lügen, es hätte genauso gut meine Frisur sein können, meine Klamotten, meine Schuhe, die Anstecker an meiner Tasche, die Musik, die ich hörte (nicht dass einer von ihnen gewusst hätte, was ich hörte). Selbst der Stil meiner Kopfhörer wurde ihrer Prüfung und Beurteilung unterzogen. Einfach alles, was ihnen in den Sinn kam.
    Habe ich die rituelle Verarsche meines Akzents schon erwähnt? Über die traurigen Versuche, ihn nachzuahmen, musste sogar ich lachen. Es gelang ihnen einfach nicht, meinen südenglischen Akzent hinzukriegen, vor allem die Endungen der Verben klappten nicht. Einige besonders bemerkenswerte Flachköpfe brachten einen Cockney-Akzent und den Dialekt von Liverpool zustande. Ich versuchte, sie zu verblüffen, indem ich mich weigerte, zu sprechen und mich am Unterricht zu beteiligen. Ich verstummte praktisch. Es funktionierte nicht.
    Warmherzig, ausgestattet mit jeder Menge schwarzem Humor, stand im Reiseführer über Glasgow. Offenbar waren die, die für das Buch recherchiert hatten, dieser Stadt nicht einmal nahe gekommen.
    »Mich interessiert nicht, was irgendwer von diesen Blödmännern erzählt, Clem. Du und ich stehen allein gegen diese Schweine«, sagte Rosie.
    »Und was ist mit Cora?«, fragte ich.
    »Die kann manchmal eine eifersüchtige kleine Hexe sein. Kümmere dich nicht um sie.«
    »Das tue ich ja nicht. Um dich mache ich mir Sorgen.«
    »Ich bin es ja nicht, die in der Schule ständig fertiggemacht wird.«
    »Ich komme damit klar.«
    »Es sind fiese Schweine«, sagte sie.
    »Mach dir keine Sorgen. Es wird schon vorbeigehen.«
    »Wenn einer von denen mir irgendwas ins Gesicht sagt, dann ist er dran, das verspreche ich dir.«
    »Ich würde mich an deiner Stelle nicht zu sehr darüber aufregen.«
    »Verdammte kleine NED-Hirnies. Besonders dieser Fran McEvoy, ich hasse diesen Idioten«, sagte Rosie.
    Ich fand das lustig. Noch vor ein paar Monaten hätte ich nicht die geringste Ahnung gehabt, was ein NED-Hirni überhaupt sein sollte. Aber was McEvoy betraf, musste ich ihr recht geben.
    «Vergiss es einfach, Rosie.«
    »Na ja, es macht mich aber fertig, weißt du?«
    »Ja, das weiß ich. Lass es uns trotzdem vergessen.« Wir umarmten uns. »Wollen wir weitermachen? Was meinst du?« Wir küssten uns.
    »Aber ich bin so scheiße an der Gitarre.«
    »Das macht nichts. Ich bin ein guter Lehrer.«
     

 
    Musik
    Sie kamen aus dem Nichts, und damit meine ich wirklich aus dem Nichts. Es war nicht so, dass auf dem Boden jede Menge Schnee gelegen hätte. Man hätte sich schon sehr anstrengen müssen, um aus dem Zeug, das noch da war, einen anständigen Schneeball zu formen.
    Ich füllte mir den iPod mit winterlicher Musik und machte mich auf den Weg zur Schule. Für gewöhnlich traf ich Rosie unterwegs, aber an diesem Morgen wollte sie mit dem Rest ihres Kunst-Leistungskurses eine Galerie besuchen. Ich war allein. Oder zumindest nahm ich das an.
    Zwanzig Schritte vor dem Schultor passierte es.
    Zisch!
    Diese Dinger waren zu solidem Eis gefroren.
    Bang!
    Es traf mich am Hinterkopf, gleich hinter dem Ohr. Rasender Schmerz. Meine Hand fuhr an die getroffene Stelle, der Kopf drehte sich in die Richtung des Werfers, meines Peinigers.
    Zisch!
    Ein weiteres Geschoss in vollem Flug, wie in Zeitlupe. Zu spät, sich zu ducken.
    Klatsch!
    Volltreffer in die Augenhöhle.
    Beide Treffer verrieten die Genauigkeit und Fähigkeit von jemandem, der meisterhaft zielen konnte.
    Mein Kompliment.
    Ich beugte mich vornüber und hielt mir das Auge, durch meinen Kopf jagten die entsetzlichsten Gedanken. Rotze lief mir aus der Nase, irgendetwas suppte aus meinem Auge. Hoffentlich nur das Wasser von dem Eisball. Es fühlte sich weder heiß noch kalt an, was mich zu

Weitere Kostenlose Bücher