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Der Junge, der es regnen liess

Der Junge, der es regnen liess

Titel: Der Junge, der es regnen liess Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Conaghan
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Klamotten urteilte. Er wurde liebevoll der kleine Sean genannt.
    »Die brauchen keinen Grund, Kerl.«
    Über die Benutzung des Wortes Kerl musste ich grinsen. Das trieb Sean dazu, zu beweisen, dass er mindestens so ernst zu nehmen war wie eine Krebserkrankung.
    »Ich rate dir, halt bei diesen schwachsinnigen Schizos bloß deine Klappe.«
    »Das habe ich vor.«
    »Wir versuchen nicht, dir Schiss einzujagen oder so was, es kann bloß gut sein, dass die auf deinen Akzent anspringen.«
    »Danke.«
    »Keine Ursache, Kerl«, sagte der kleine Sean, offensichtlich hochzufrieden mit seiner Rolle als Sicherheitsberater.
    Mein Gesicht musste sich in ein Sinnbild der Besorgnis verwandelt haben.
    »Keine Panik, Clem, mein Alter«, sagte Conor in beruhigendem Tonfall.
    »Nein, nein, ich bin schon okay. Wirklich.«
    »Sieh mal, die sind ja sowieso bei den Kloppis, du hast also nicht viel mit denen zu tun?«
    »Kloppis?«
    »Na, bei den Bekloppten. Den Förderkursen.«
    »Was? Allesamt?«
    »Bis zum letzten Mann, Bursche«, antwortete der kleine Sean.
    »Pass auf, vergiss das jetzt mal – spielste Fußball?«, fragte mich Conor.
    »Ich fürchte, nein. In meiner alten Schule haben wir Rugby gespielt.«
    »So’n Pech«, murmelte der kleine Sean.
    Meine negative Antwort versetzte der Konversation ihren Todesstoß. Damit stand felsenfest, dass ich in der Gang keinen Platz hatte. Nicht dass ich mir überhaupt gewünscht hatte, ihr anzugehören, aber hätte ich die Absicht gehabt, mich anzuschließen: keine Chance. Vor allem glaubten sie vermutlich, ich wäre schwul. Wenn man sich nicht für Fußball begeistert, erweckt man bei anderen männlichen Wesen diesen Eindruck. Es scheint der entscheidende Faktor zu sein, der über Homosexualität entscheidet. Eine Vorbedingung für den Eintritt in die Welt der Schwulen.
     

 
    Lügen
    Rosie schwankte zwischen sichtlichem Ärger und einem halbherzigen Versuch, mich zu schneiden. Sie schwankte zwischen Reden und Nicht-Reden. Auch Cora, ihre beste Freundin, sandte mir ein paar todernste, intensive Blicke. Solche, die töten können, wie man so sagt. Zuerst schrieb ich es einfach dem Verhalten von Mädchen im Teenageralter zu, dann dem Verhalten von Mädchen im Allgemeinen, und dann, als es nicht aufhörte, hielt ich es für irgendetwas Glasgow-Spezifisches.
    Dass sie mir die kalte Schulter zeigte, störte mich. Cora war mir so egal wie nur irgendwas, aber bei Rosie störte es mich. Wir hatten uns großartig verstanden. Ich war ständig bei ihr zu Hause, brachte ihr Gitarrespielen bei, wir hörten Musik oder chillten einfach nur zusammen. Sie hatte ein cooles Zimmer. Ich fand es toll, einfach gar nichts mit ihr zu machen, herumzuhängen, etwas, das ich eigentlich nie zuvor so erlebt hatte.
    In ihrem Zimmer hoben wir unsere Beziehung auf die nächste Ebene. Aus uns war eine verdammt gute Partnerschaft geworden. Solide. Beide hatten wir schon kurz davorgestanden, das Wort mit L in den Mund zu nehmen. Gerade deshalb war es ja so verwirrend, dass sie dieses Verhalten an den Tag legte. Dienstagnachmittag wurde es mir zu bunt. In der Italienischstunde sprach ich das Thema an. Gab es ein Zerwürfnis, das mir irgendwie entgangen war? Einen Vorbehalt?
    »Habe ich was falsch gemacht?«
    »Was?«
    »Habe ich was falsch gemacht?«
    »Keine Ahnung. Hast du?«
    »Das frage ich dich, Rosie.«
    »Wenn du’s nicht weißt, erwarte nicht von mir, dass ich es dir sage.«
    »Dass du mir was sagst?«
    »Nichts.«
    »Es ist offenbar nicht nichts, Rosie. Du hast zwei Tage lang kein Wort mit mir gesprochen.«
    »Was erzählst du denn? Klar, habe ich.«
    »Glaub mir, hast du nicht.«
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte Rosie.
    »Du weißt, was ich meine.«
    »Tu ich das?«
    »Bitte hör auf, dich so hirnlos zu benehmen! Wenn du mir etwas zu sagen hast, dann spuck’s aus. Mit diesen Ausweichmanövern komme ich nicht zurecht.«
    »Fang nicht an, mich mit deinen Angeberworten zu beschmeißen!«
    »Oh Mann, vergiss es.«
    »Rosie! Clem! Gibt es Probleme?«, unterbrach uns Mrs Lenihan.
    »Nein, Miss.«
    »Nein, Miss.«
    »Gut, dann arbeitet bitte weiter.«
    Und wir arbeiteten weiter. Übertrugen Konjugationstabellen von Verben in unsere Notizbücher, als hinge unser Leben davon ab. Wir spielten ein Spiel, bei dem die Handlung, mit der man beschäftigt war, sich verstärkte, während das Hirn um ein völlig anderes Thema kreiste.
    »Ich habe dich übrigens nicht geschnitten«, flüsterte Rosie.
    »Na schön. Was ist

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