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Der Junge, der es regnen liess

Der Junge, der es regnen liess

Titel: Der Junge, der es regnen liess Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Conaghan
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über das hinaus, was ich aushalten konnte. Über das, was ich aushalten wollte. Über das, was ich mir in meinem Kopf, meinem armen Kopf, vorstellen konnte, auszuhalten. Es war an der Zeit, mein eigenes Recht, meine eigenen Strafmaßnahmen walten zu lassen.
    Ich durfte das Schwein damit nicht davonkommen lassen. Spott konnte ich hinnehmen. Zwei Geschosse aus Eis und Erniedrigung konnte ich nicht hinnehmen. Wenn ich jetzt noch zurückwich – würde das nicht als Frechheit, als Einladung weiterzumachen, aufgefasst werden? Was verpassen wir dem Prügelknaben als Nächstes? Ich musste ihnen zeigen, dass ich keine Angst hatte. Bedeutendere Gestalten als ich haben mehr Haltung gezeigt und sind mit Schlimmerem fertig geworden. Ich werde mich nicht aus der Ruhe bringen lassen.
    Das also war Glasgow mit ihrem Etikett »Keine üble Stadt«. Insgeheim stolz auf dieses Etikett. Am Ärmel trägt sie es, am Kragen, an den Socken, am Arsch. Gewiss will doch keine Stadt, dass einem von ihr übel wird?
    Glasgow, ich wollte dir nicht auf die Füße treten. Ich wollte mich hier nicht breitmachen. Ich wollte deine Weiber nicht stehlen. Ich wollte mich nicht mit deinen Lehrerinnen anfreunden. Ich wollte nicht. Ich wollte nicht.
    Glasgow.
    Ich wollte nicht einmal hier sein.
     

 
    Rat
    »Was zum Teufel hast du mit deinem Auge gemacht?«, fragte Rosie, und in ihrem Tonfall lag echte Sorge.
    Der blaue Fleck und die Schwellung löschten einiges von der Verlegenheit aus, die nach der Sache mit Miss Croal in der Luft gelegen hatte.
    »Das war nichts«, sagte ich und freute mich einfach nur, sie zu sehen.
    »Von wegen, das war nichts. Es ist total zugeschwollen.« Sie streckte die Hand aus, um es zu berühren. Ich zuckte zusammen, wie man es im Film sieht. Wirklich höchst melodramatisch. Ich spielte die Rolle des Helden: gefoltert, fast gebrochen und voller Selbstmitleid, aber noch am Leben und bereit, am nächsten Tag weiterzukämpfen. Gut aussehend – habe ich das erwähnt? (Wie gut kann man überhaupt mit einem Veilchen aussehen?)
    »Es sieht viel schlimmer aus, als es ist.«
    »Wer hat dich geschlagen?«
    »Ein Schneeball.«
    »Aber es liegt doch gar kein Schnee.«
    »Na gut, es war eher ein Eisball.«
    »Scheiße.«
    »Das habe ich auch gesagt. Unter anderem.«
    »Ich habe gedacht, jemand hätte dir einen Schlag verpasst.«
    »Das wäre ehrenvoller gewesen.«
    »Wer war es?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Von wegen du weißt es nicht.«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wen versuchst du zu beschützen?«, fragte sie und versuchte noch einmal, ihre Finger auf die Schwellung zu legen. Versuchte, sich um mich zu kümmern. Ein Zeichen von Zuneigung, das ich abwies. »Lass mich mal sehen.«
    »Es ist wirklich nichts.«
    Sie seufzte. Ich seufzte. Wir sahen einander länger an, als gut für uns war. Sie las in mir. An meinem Gesichtsausdruck erkannte sie, dass ich nicht ehrlich zu ihr war.
    »War es der, den ich im Verdacht habe?«
    »Weiß ich nicht. Wen hast du denn im Verdacht?«
    »Diesen kleinen NED-Stinker und seine Kumpel?«
    »Ich würde sagen: warm.«
    »Was soll das heißen, warm?«
    »Na gut, dann eben heiß.«
    »Ich wusste, dass sie es waren.«
    »Wie kannst du dir so sicher sein?«
    »Die halbe Schule redet darüber!«
    »Ist an diesem Ort denn nichts heilig?«
    »Machst du Witze? Dieser Idiot McEvoy rennt in der Schule herum und benimmt sich wie die Dotcom-Blase.«
    »Die Dot-was?«
    »Wie eine verdammt große Nummer.«
    »Wie es aussieht, hast du also schon gewusst, was passiert ist.«
    Darauf folgte eine längere Pause. Ich konnte sehen, wie ihr Hirn arbeitete. »Wir müssen etwas unternehmen.«
    »Die Schwellung wird in ein paar Tagen zurückgehen. Es sieht schlimmer aus, als es ist.«
    »Scheiß auf das Auge, hol dir gefrorene Erbsen. Dann kannst du wieder sehen.«
    »Wir haben keine gefrorenen Erbsen.«
    »Scheiß auf die Erbsen, dann steck eben deinen Kopf in die Tiefkühltruhe.«
    »Wovon redest du eigentlich?«
    »Ich rede von Fran McEvoy.«
    »Was ist mit dem?«
    »Wir müssen etwas unternehmen.«
    »Nein, das müssen wir nicht«, sagte ich.
    »Er wird nicht einfach verschwinden, das weißt du.«
    »Typen wie der verschwinden immer irgendwann.«
    »Ja, klasse, und sagst du mir auch, wann?«
    »Mit der Zeit.«
    »Der Typ nicht.«
    »Was schlagen Sie dann vor, Agent Scully?«
    »Was?«
    »Ach, vergiss es … wie sieht dein Plan aus?«
    »Wir haben zwei Möglichkeiten: Entweder wir machen was, damit er mit dieser Scheiße

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