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Der Junge, der mit den Piranhas schwamm

Der Junge, der mit den Piranhas schwamm

Titel: Der Junge, der mit den Piranhas schwamm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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hantieren. Ein- oder zweimal führt er ihnen die Hand, wenn sie die Verträge unterzeichnen. Er schaut ihnen in die Augen. Er nimmt ihnen das Versprechen ab, dass sie sich wirklich gut um die Fische kümmern werden. Nur eine Person weigert sich: der Vater eines kleinen Mädchens in einem rot-grünen Kleid. Das kleine Mädchen holt eine Ente aus dem Becken. Es quietscht vor Vergnügen. Stan nimmt den kleinen Fisch in seinem Beutel vom Haken und bittet sie zu unterschreiben.
    „ Was unterschreiben?“, fragt der Mann.
    „Einen Vertrag“, sagt Stan.
    Der Mann und seine Tochter lesen den Vertrag. Das Mädchen greift nach einem Stift, aber der Mann verzieht das Gesicht.
    „Mach’s nicht“, sagt er.
    „Aber sie muss“, sagt Stan.
    „Wer sagt das?“, fragt der Mann.
    „Ich“, sagt Stan.
    „Und warum?“
    „Weil … weil …“
    Stan fängt an zu zittern. Der Mann hat einen Stiernacken und um den Hals trägt er eine dicke Silberkette. Auf die Fingerknöchel hat er die Wörter ZORN und HASS tätowiert. Er hat große, funkelnde Augen, die Stan anstarren. Er hat große, starke Finger, die er Stan in die Brust bohrt. Er hat eine tiefe, raue Stimme, die knurrt: „Wir unterschreiben nix, wenn’s nich unbedingt sein muss.“
    „Aber …“, sagt Stan.
    „Willste etwa behaupten“, knurrt der Mann, „dass ich un meine Minnie Tierquäler sind?“
    „Nein“, sagt Stan. „Aber …“
    „Gut“, sagt Minnies Vater. „Dann gib ihr endlich den Fisch.“
    Dostojewski lehnt am Wohnwagen und schaut zu. Er rührt sich nicht. Stan schaut zu ihm, dann wieder zu dem Mann. In der Hand hält er den Plastikbeutel mit dem Fisch. Der Mann türmt sich über ihm auf. Stan reicht ihm kaum bis zur Brust.
    „Gib. Ihr. Den. Fisch.“
    Stan holt tief Atem. Er hebt den Beutel hoch. Der Fisch schwimmt in entzückenden kleinen Kreisen und Achten im Wasser herum.
    „Es ist nur …“
    „Es ist nur“, sagt der Mann, „ein blöder Fisch. Was ist so Besonderes an ’nem blöden Fisch?“
    „Er ist so klein …“
    „Och, der arme kleine Fisch!“, höhnt der Mann.
    „Er ist so klein und wir sind so groß“, fährt Stan fort. „Es ist so leicht, ihm wehzutun. Es ist …“
    Der Mann seufzt. Er flucht. Stan hebt den Fisch noch höher. Sonnenlicht ergießt sich in den kleinen Plastikbeutel und der Fisch glitzert und glänzt.
    Minnie tritt näher.
    „Guck nur, wie hübsch er ist“, sagt Stan zu ihr.
    Minnie starrt den Fisch an, als würde sie ihn jetzt erst richtig sehen.
    „Schau dir die Schuppen an“, sagt Stan, „und die fedrigen Flossen und den Schwanz. Schau nur, wie er sich krümmt und durchs Wasser huscht. Siehst du seine glänzenden Augen?“
    „Er ist wunderschön!“, sagt Minnie staunend. „Schau nur, Papa, er sieht aus, als würde er ‚oh, oh, oh‘ sagen. Und er ist so klein und zart und …“
    Und der Mann hört seiner Tochter zu, blickt in den Plastikbeutel und scheint mit einem Mal bezaubert zu sein, wenn auch nur für einen winzigen Augenblick.
    „Er ist herrlich“, sagt Minnie. „Ich will unterschreiben, Papa, und den Fisch mit nach Hause nehmen.“
    Wieder flucht der Mann. Er seufzt. „Okay“, grunzt er schließlich. „Von mir aus unterschreib, und dann nix wie weg.“
    Minnie unterschreibt den Vertrag mit ihrem Namen. Sie lächelt Stan an. Stan erwidert das Lächeln.
    „Vielen Dank“, sagt er. „Es wäre schön, wenn du wiederkommen und noch einmal dein Glück versuchen würdest.“
    Minnie geht selig mit ihrem Vater davon und flüstert dabei mit ihrem Fisch.
    „Gut gemacht“, sagt Dostojewski und kommt zu Stan. „Dein erster schwieriger Kunde und du hattest die Sache im Griff. Das war dein erster, aber sicher nich dein letzter.“ Er reibt sich die Hände. Er greift in Stans Geldgürtel und zählt die Scheine und Münzen. „Du machst das großartig. Du bist’n Naturtalent, wie ich gesagt hab.“

    Es kommen noch mehr Kunden, und bald darauf hängt nur noch ein Fisch in seinem Plastikbeutel am Stand. Auch in dem Becken schwimmen nur noch wenige. Stan ist traurig, weil so viele weg sind, aber er freut sich auch. Er hat eine Idee, die er gleich in die Tat umsetzen will.
    „Herr Dostojewski?“, sagt er.
    „Ja, mein Jung?“
    „Ich habe nachgedacht. Jetzt, wo fast alle Fische weg sind …“
    „Ja, mein Jung?“
    „Na ja, ich habe gedacht, jetzt könnten wir doch andere Preise anbieten.“
    „ Andere Preise?“
    „Ja. Stofftiere oder Süßigkeiten oder …“
    „ Stofftiere?

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