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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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begann er, die Stirn in ernste Falten gelegt, »daß Sie glauben, Frank hätte seinen Vater von der Klippe gestoßen?«
    »Ja«, erwiderte Susie bestimmt.
    »Mrs. Pierson glaubt das offenbar nicht.«
    »Sie haben sie gefragt?«
    »Ja«, sagte Tom, genauso bestimmt. »Sie denkt, es war entweder ein Unfall oder Selbstmord.«
    Susie rümpfte die Nase und starrte auf den Fernseher, als wünschte sie, er wäre an.
    »Haben Sie der Polizei das mit Frank auch so gesagt?«
    »Ja.«
    »Und?«
    »Ach, die meinten, ich könnte es gar nicht gesehen haben, weil ich oben war. Aber manches weiß man eben einfach. Hören Sie, Mr. –?«
    »Ripley. Tom. Tut mir leid, Ihren Nachnamen kenne ich nicht.«
    »Schuhmacher.« In diesem Moment brachte Evangelina die Rosen herein, in einer rosa Vase. »Danke, Evangelina.«
    Das Hausmädchen stellte die Vase auf den Nachttisch zwischen den beiden und ging.
    »Wenn Sie nicht gesehen haben, daß Frank es getan hat – was laut der Polizei auch unmöglich gewesen wäre –, dann sollten Sie das auch nicht behaupten. Dem Jungen setzt es sehr zu.«
    »Frank war bei seinem Vater.« Wieder hob sie die plumpe, schon etwas runzlige Hand und ließ sie auf die Decke fallen. »Wenn es ein Unfall oder gar Selbstmord war, hätte er ihn doch aufhalten können, oder?«
    Zuerst glaubte Tom, sie müsse recht haben, dann aber fiel ihm ein, wie stark ein Rollstuhl über die Steuerung beschleunigen konnte. Doch darauf wollte er sich mit Susie nicht einlassen. »Könnte Mr. Pierson den Stuhl nicht selbst über den Rand gerollt haben, bevor Frank begriff, was vor sich ging? Das habe ich nämlich angenommen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Frank ist zurückgerannt, sagen sie. Ich habe ihn erst gesehen, als ich nach unten ging. Da redeten schon alle durcheinander. Ich weiß, daß Frank sagt, sein Vater wäre selber vorgerollt.« Die blaßblauen Augen ließen Tom nicht los.
    »Das hat Frank mir erzählt.« Der Augenblick seiner Lüge mußte dem Jungen wie ein zweites Verbrechen erschienen sein. Wenn er nur ruhig zurückgekommen wäre und eine halbe Stunde gewartet hätte, so als habe er seinen Vater auf der Klippe zurückgelassen… Tom wurde klar, daß er selbst genau das getan hätte: Vielleicht wäre er nervös gewesen, doch hätte er wenigstens einigermaßen planvoll gehandelt. »Was Sie denken oder glauben, kann sicher nie bewiesen werden«, sagte er.
    »Frank leugnet, das weiß ich.«
    »Wollen Sie, daß der Junge wegen Ihrer – Verdächtigungen zusammenbricht?« Wenigstens das schien sie zu treffen. Tom nutzte seinen Vorteil, wenn es denn einer war (und das wollte er glauben): »Solange es weder einen Zeugen noch einen zwingenden Beweis gibt, kann eine Tat, wie Sie sie schildern, niemals nachgewiesen werden – oder, wie in diesem Fall, auch nur Glauben finden.«
    Tom fragte sich, wann die alte Dame wohl sterben würde, wie lange Frank noch am Haken hängen mußte. Susie Schuhmacher schien noch etliche Jahre vor sich zu haben, und der Junge konnte ihr schwerlich entkommen, weil sie zum Haus in Kennebunkport dazugehörte und die Familie offenbar häufig dort wohnte und weil sie wahrscheinlich auch in die New Yorker Wohnung mitkam, wenn die Familie dort war.
    »Was schert es mich, was Frank aus seinem Leben macht? Er –«
    »Sie mögen ihn nicht?« unterbrach Tom sie wie erstaunt.
    »Er ist nicht… nett. Rebellisch, unglücklich. Man weiß nie, was er denkt. Er setzt sich etwas in den Kopf – eine Meinung, eine Vorstellung – und läßt nicht mehr los.«
    Tom runzelte die Stirn: »Aber würden Sie sagen, daß er unehrlich ist?«
    »Nein«, erwiderte Susie, »dazu ist er zu höflich. Was ich meine, geht weiter als Unehrlichkeit. Weiter sogar als…« Sie wurde sichtlich müde. »Aber was sollte es mich kümmern, was er mit seinem Leben anfängt? Er hat doch alles. Und was er hat, weiß er nicht zu schätzen. Hat er nie getan. Angst und Sorgen hat er seiner Mutter gemacht, als er weggelaufen ist. Selbst das ist ihm egal. Er ist kein guter Junge.«
    Nicht der richtige Zeitpunkt, dachte Tom, Franks Angst oder Abscheu vor dem Geschäftsimperium seines Vaters anzusprechen oder auch nur zu fragen, was sie womöglich über Teresas Einfluß wisse. Irgendwo weit weg klingelte ein Telefon. »Doch Mr. Pierson mochte den Jungen sehr gern, glaube ich.«
    »Vielleicht zu gern. Hat Frank das verdient? Also ehrlich!«
    Tom wand sich, die Beine nun nebeneinandergestellt. »Ich denke, ich hab Ihnen schon genug Zeit gestohlen,

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