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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Er sah, wie Frank die deutsche Zeitung aufnahm und das Foto des Toten in Lübars betrachtete. Für ihn würde es nur irgendein Zeitungsbild sein. Tom hatte ihm nicht erzählt, daß er das Geld in Lübars hätte abliefern sollen, sondern nur, daß er zu einem Treffen mit den Entführern nicht erschienen sei. »Und dann sind Sie ihnen gefolgt?« hatte Frank gefragt. Nein, hatte Tom geantwortet, er habe ihre Spur in der Schwulenbar aufgenommen – sie hätten von Thurlow die Nachricht erhalten, dort nach einem Joey zu fragen. Frank fand das amüsant; es beeindruckte ihn, daß Tom so dreist gewesen war – vielleicht auch so mutig, wollte Tom glauben –, allein über die Männer herzufallen. In dieser Zeitung hatte Tom nichts über die Entführer gefunden, nichts über die Festnahme auch nur eines der drei Männer, ob in der Nähe der Binger Straße noch anderswo. Natürlich wußte nur er, daß sie Kidnapper waren. Möglich, daß die Männer vorbestraft waren und keinen festen Wohnort vorweisen konnten, doch mehr war da sicher nicht.
    Nach einer eher flüchtigen Kontrolle erhielten sie ihre Pässe zurück, holten das Gepäck und nahmen ein Taxi.
    Tom zeigte Frank die Wahrzeichen der Stadt, soweit er sie in der Dämmerung ausmachen konnte: einen Kirchturm, an den er sich erinnerte, den ersten von vielen Kanälen oder »Fleete«, über die schmale Brücken führten, dann die beiden Seen der Alster. Sie stiegen am Ende der Auffahrt aus, die zu Minots Apartmenthaus führte, einem großen, weißen Patrizierhaus, das aber später in mehrere Wohnungen unterteilt worden war. Tom war hier schon zwei-, dreimal zu Besuch gewesen. Er klingelte an der Haustür, und Reeves ließ sie ein, sobald Tom über die Gegensprechanlage seinen Namen genannt hatte. Er fuhr mit Frank im Lift nach oben. Reeves wartete vor der Wohnungstür.
    »Tom!« Reeves sprach leise, denn im selben Stock lag noch eine weitere Wohnung. »Kommt herein.«
    Tom stellte Frank vor: »Das ist – Ben. Ben, Reeves Minot.«
    Reeves sagte: »Angenehm« und schloß die Tür hinter ihnen. Tom war einmal mehr überrascht, wie geräumig und makellos sauber die Wohnung war. An den weißen Wänden Impressionisten und Moderne, fast alle Bilder waren gerahmt. Darunter niedrige Regale, in denen vor allem Kunstbücher standen. Ein paar große Gummibäume und Philodendren, zwei große Fenster mit Blick auf die Außenalster, die gelben Vorhänge zugezogen. Der Tisch war für drei gedeckt. Der (echte) Derwatt in zartem Rosa, eine im Sterben liegende Frau in einem Bett, hing immer noch über dem Kamin.
    »Den haben Sie neu rahmen lassen, nicht?« fragte Tom.
    Minot lachte. »Gut beobachtet, Tom! Der Rahmen war beschädigt – hat einen Sprung bekommen, als er bei der Bombenexplosion heruntergefallen ist. Dieser beige Rahmen gefällt mir besser, der andere war zu weiß. So, die Koffer hier hinein, bitte.« Reeves zeigte Tom das Gästezimmer. »Ich hoffe, Sie haben auf dem Flug nichts zu essen bekommen, weil ich nämlich etwas vorbereitet habe. Jetzt aber einen Drink, kühlen Weißwein oder was Sie wollen, und dann reden wir!«
    Tom und Frank stellten ihre Koffer in das Gästezimmer. Das Bett, beinah ein Doppelbett, stand an der Wand neben der Tür. Tom mußte daran denken, daß Jonathan Trevanny darin geschlafen hatte.
    »Wie heißt Ihr Freund noch mal?« fragte Reeves auf dem Weg ins Wohnzimmer gerade noch so laut, daß der Junge es hören konnte.
    Sein Lächeln verriet Tom, daß er wußte, wer das war. Tom nickte. »Darüber reden wir später. In den –« Tom war verlegen, aber warum sollte er Reeves etwas verheimlichen? Frank stand am anderen Ende des Wohnzimmers und betrachtete ein Bild. »In den Zeitungen stand nichts davon, aber der Junge ist erst vor kurzem entführt worden. In Berlin.«
    »Ist nicht wahr!« Reeves hielt inne, den Korkenzieher in der einen, die Weinflasche in der anderen Hand. Eine unansehnliche rötliche Narbe auf seiner rechten Wange reichte fast bis zum Mundwinkel herunter. Jetzt wirkte sie noch länger, weil er den Mund vor Überraschung nicht zubekam.
    »Letzten Sonntag«, sagte Tom. »Nachmittags im Grunewald. Sie kennen den großen Wald?«
    »Ja. Entführt – wie denn?«
    »Ich war bei ihm, hab ihn aber ein paar Minuten allein gelassen, und dann… Setz dich, Frank. Du bist unter Freunden.«
    »Ja, nimm Platz«, sagte Reeves mit seiner heiseren Stimme und zog den Korken aus der Flasche.
    Tom fing einen Blick des Jungen auf: Der nickte zum Zeichen, Tom

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