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Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Wohnzimmer legte Max die Frauenkleider aus, die er zu bieten hatte, wie ein Vertreter die Waren, die den Kunden interessieren könnten. Allerdings hatte Max nur eine einzige komplette Montur mitgebracht. »Meine besten Fummel«, sagte Max auf deutsch. In Stiefeln und schwarzem Leder stolzierte er durchs Wohnzimmer, das lange Kleid so eng an sich gepreßt, daß es seinen Körper am besten zur Geltung brachte.
    Ein Kleid mit langen Ärmeln, wie Tom erleichtert feststellte, weiß und rosa und durchsichtig, am Saum drei Reihen Rüschen. »Toll«, sagte Tom, darauf: » Sehr schön.«
    »Und dann natürlich noch das hier.« Aus seiner roten Segeltuchtasche zog Max einen weißen Unterrock oder Petticoat hervor, augenscheinlich genausolang wie das Kleid. »Das Kleid zuerst, das inspiriert mich beim Make-up.« Max lächelte.
    Unverzüglich legte Tom den Morgenmantel ab, unter dem er nur eine Unterhose trug, und schlüpfte erst in den Petticoat, dann in das Kleid. Doch nun hatte er die Strumpfhose vergessen, ein braunes, geradezu gespenstisches Ding, das er, meinte Max, nur im Sitzen richtig anziehen könne. Schließlich aber sagte der Deutsche, zum Teufel damit, wenn die Schuhe auch ohne Strumpfhose gut paßten – das Kleid gehe ja fast bis zum Boden. Max war so groß wie Tom. Das gürtellose Kleid fiel frei am Körper herab.
    Tom setzte sich vor einen hochkant stehenden Spiegel, den Eric aus dem Schlafzimmer geholt hatte. Max hatte all sein Schminkzeug auf der Kommode ausgebreitet und machte sich jetzt an Toms Make-up. Eric verschränkte die Arme vor der Brust und sah stillvergnügt zu, wie Max dicke weiße Creme auf Toms Brauen klatschte und über die Stirn verteilte. Dabei summte er vor sich hin.
    »Keine Angst«, sagte er, »die Brauen nehm ich mir hinterher vor. Ist genau richtig so.«
    »Musik!« rief Eric. » Carmen, das brauchen wir jetzt!«
    »Nein, das brauchen wir nicht .« Schon die Vorstellung war Tom zuwider, vor allem weil Carmen zu dramatisch war – oder er nicht in Stimmung für Bizet. Er staunte über die Verwandlung seines Mundes: Die Oberlippe wirkte dünner, die Unterlippe voller. Beinah hätte er sich selbst nicht wiedererkannt.
    »Jetzt die Perücke«, murmelte Max auf deutsch und schüttelte das kastanienbraune, fast furchterregende Ding aus, das auf der Kommode gelegen hatte. Behutsam kämmte er die wallenden Locken.
    »Singen Sie etwas«, sagte Tom. »Kennen Sie Slick Little Girl ?«
    »Ach ja: ›The things you do to your face – make-up!‹ « Max war nicht mehr zu bremsen, er sang den Song von Lou Reed gekonnt nach: »›Rouge and colouring, incense and ice…‹« Er wiegte sich bei der Arbeit hin und her.
    Tom mußte an Frank denken, an Héloïse und Belle Ombre.
    »› Open your ice !‹« sang Max. Er meinte Tom, seine Augen, auf die er sich jetzt konzentrierte. Dann hielt er inne, musterte Tom, warf einen Blick in den Spiegel.
    »Max, sind Sie heute abend frei?« fragte Tom auf deutsch.
    Max lachte, zog die Perücke zurecht und betrachtete sein Werk. »Ist das Ihr Ernst?« Sein breiter, großzügiger Mund wurde noch breiter, als er lächelte, und Tom meinte, ihn erröten zu sehen. »Ich schere mein Haar ganz kurz, damit diese Perücken besser passen, aber eigentlich ist das albern, soviel Aufwand. – Mir gefällt es so!«
    »Ja.« Tom starrte sein Spiegelbild an, als sei das jemand anders. Allerdings war es ihm ziemlich egal. »Das ist mein Ernst, Max. Hätten Sie eine Stunde Zeit, mit mir an der Theke vom Hump zu stehen? Heute abend, gegen Mitternacht oder auch früher? Bringen Sie Rollo mit, ich lade Sie beide ein. Nur für rund eine Stunde. Also?«
    »Und ich darf nicht mit?« fragte Eric auf deutsch.
    »Das liegt bei Ihnen, Eric.«
    Max half Tom in die hochhackigen, halbhohen Lackstiefel. Das Leder war rissig.
    »Gebraucht, ein Secondhand-Laden in Kreuzberg«, bemerkte Max. »Aber keine Folter für die Füße, wie sonst so oft bei hohen Absätzen. Sehen Sie – passen doch!«
    Tom setzte sich wieder vor den Spiegel. Er kam sich vor wie in einer Phantasiewelt. Max zauberte einen Schönheitsfleck auf seine linke Wange, ein meisterhaft plazierter schwarzer Punkt.
    Es klingelte an der Tür. Eric ging in die Küche.
    »Wollen Sie Rollo und mich heute abend wirklich dabeihaben?« fragte Max.
    »Sie glauben doch nicht, Max, daß ich da ganz allein wie ein Mauerblümchen herumsitzen will? Oder besser, herumstehen. Ich brauche Sie beide. Eric ist nicht der Richtige dafür.« Tom legte zur

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