Der Junge, der sich in Luft auflöste
meine Chips, wobei ich sie erst ein bisschen im Mund zergehen lieà und dann erst zu kauen begann, damit es nicht so viel Krach machte. Leise holte ich die Liste mit den Theorien und die Fotos hervor. Die Wäscheleinenbilder sortierte ich aus und legte sie auf den Schreibtisch. Dann ging ich die anderen durch. Ich aà eine ganze Tüte Chips und öffnete die zweite.
Als sie zur Hälfte leer war, hörte ich plötzlich auf zu kauen und riss die Augen auf. Ich griff nach einem anderen Bild und starrte ebenfalls darauf.
»Kat!«, zischte ich und rüttelte sie kräftig an der Schulter.
Sie erhob sich von ihrem Kissen, beide Hände an den Kopf gepresst. »Uuh, was für ein Traum. Was ist denn los?« Sie blinzelte von der Luftmatratze zu mir herauf.
»Dieser fremde Mann, Kat«, sagte ich. »Der, der uns die Karte verkauft hat.«
Sie schüttelte den Kopf. »Uaaaaarrrhh«, gähnte sie. (So klang es jedenfalls.) »Was ist mit ihm?«
»Ich hab ihn gefunden!«, piepste ich.
Kat machte groÃe Augen und blickte mich verwirrt an. Also zeigte ich ihr das Foto, das ich gemacht hatte. Das Bild, das nichts geworden war, mit den kopflosen Körpern. Ich deutete auf den Oberkörper eines Mannes, mit einer flatternden Jacke über seinem T-Shirt.
»Das ist er!«, sagte ich.
»Woher willst du das wissen? Er sieht bloà aus wie irgendwer in einer Menschenmenge. Und auÃerdem: Was hat der denn mit der ganzen Sache zu tun?«
»Vielleicht gar nichts. Vielleicht alles.«
Kat legte den Kopf schief, wie ich es manchmal mache, weil man so besser nachdenken kann. Meiner Theorie nach flieÃt dann mehr Blut in die Gehirnhälfte, die man gerade braucht, je nachdem, wofür. Die linke ist fürs logische Schlussfolgern und analytische Denken zuständig und die rechte für kreative Gedanken â aus dieser Hälfte kommen die Ideen, glaube ich. Â
»Es war komisch, wie er auf uns zukam«, sagte Kat. »Verdächtig, könnte man sagen. Aber vielleicht war es einfach nur ein Zufall.« Sie nahm das Foto und betrachtete es noch einmal. »Erzähl mir nicht, dass du ihn nur an diesen paar Sachen da erkennst. Du achtest doch nie darauf, wie Leute angezogen sind.«
»Nein. Nicht allein an diesem einen Bild, Kat. Aber schau dir auch mal das hier an.« Ich zeigte ihr das Bild, das kurz vorher aufgenommen worden war, von Salim. Salim hatte eins vom Riesenrad geschossen, dabei jedoch den oberen Teil abgeschnitten, weil er zu dicht dran stand. Im Vordergrund war ein Teil der Warteschlange zu sehen und einige Leute, die in der Nähe standen. Wenn man die einzelnen Personen auf dem Foto ganz genau betrachtete, waren der Kopf und die Schultern eines Mannes zu sehen, der mit dem Gesicht zur Kamera stand. Nur erbsengroÃ, aber von dem Gesicht war noch genug erkennbar.
»Das ist er«, sagte ich.
Kat sah genau hin. »Du hast Recht, Ted. Das ist er wirklich!« Sie griff nach dem zweiten Foto. »Sein Kopf und seine Schultern. Und hier sein Oberkörper und seine Hose. Alles passt zusammen.«
Ich holte eine Lupe aus meiner Schreibtischschublade. Wir schauten uns die Bilder zusammen an. Es war ein Kombinationsspiel, welcher Kopf gehört zu wem, wie ein Puzzle.
»Da steht was auf seinem T-Shirt«, sagte Kat mit einem Blick durch die Lupe. »Ich kannâs nicht erkennen. Aber bestimmt was mit einem O und einem T. Der Rest ist unscharf.« Sie sah mich an. »WeiÃt du was, Ted, das könnte der entscheidende Hinweis sein.« Sie klopfte mir so heftig auf die Schulter, dass ich husten musste. »Morgen gehe ich mit den Negativen noch mal in den Fotoladen und frag, ob sie die beiden Aufnahmen vergröÃern können. Aber Ted ⦠Erzähl keinem was davon!«
»Auch nicht Mum und â¦Â«
»Sie würde doch gar nicht zuhören, wenn wir versuchen würden, es ihr zu erklären. Nein. Ich verfolge diese Spur allein.«
»Nicht allein, Kat.«
Wieder klopfte sie mir auf die Schulter. »Mit dir natürlich, Ted. Wir werden rauskriegen, was auf dem T-Shirt steht. Und vielleicht, nur vielleicht, werden wir den Unbekannten aufspüren.«
Ich vergaà vor lauter Aufregung zu hmpfen.
»Ted ⦠Ich magâs kaum sagen, aber du bist ein Genie.«
Dann schnappte sie sich meine Chipstüte und verschlang den Rest.
22
Wortspiele
In der Zeit, die von der Nacht noch
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