Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Junge, der sich in Luft auflöste

Der Junge, der sich in Luft auflöste

Titel: Der Junge, der sich in Luft auflöste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Dowd
Vom Netzwerk:
ist, dann kaufen wir dir vielleicht einen neuen. Und für Kat auch etwas. Wenn ihr einfach leise und ruhig seid, solange all das …«
    Sie unterbrach sich, zuckte mit den Schultern und verschwand kopfschüttelnd wieder in der Küche. Kat sah mich an. Ich sah sie an.
    Â»Respekt, Ted«, flüsterte sie und boxte mich so heftig in den Arm, dass ich fast umgefallen wäre. »Dass ich das noch erlebe! Du hast gelogen.«
    Wir gingen nach oben in mein Zimmer und Kat zog einen großen Pappumschlag hervor, den sie sich vorn in ihre Jacke gestopft hatte. »Der Mann in der Drogerie kennt mich inzwischen …«, sagte sie. »Er hat mir die Bilder innerhalb von einer knappen Stunde vergrößert. Hier sind sie.«
    Sie riss den Verschluss auf und zog zwei große Abzüge heraus. Auf dem einen war der Fremde zu sehen, der uns die Karte verkauft hatte. Sein Gesicht war unscharf, aber zu erkennen, mit seinem stoppeligen Kinn, den dunklen Augenbrauen und der hohen Stirn. Er blinzelte ins Sonnenlicht.
    Das andere Bild war das der drei Kopflosen, mit dem Oberkörper des Unbekannten in der Mitte. Eine abgetragene Lederjacke war zu sehen, ein haariger Hals, ein schwarzes T-Shirt oder Sweatshirt und dazu seine Finger, die eine selbstgedrehte Zigarette hielten. Die Jacke war offen und flatterte im Wind. Und von der Aufschrift seines T-Shirts waren ein paar weiße Buchstaben zu sehen:
    ECURI
    OMMA
    Den Anfang und das Ende beider Wörter verdeckte die Jacke.
    Â»Ein Wortspiel«, murmelte Kat. Sie setzte sich an meinen Schreibtisch und nahm sich einen Zettel. »Wir müssen rausfinden, was für Wörter es gibt, die diese Buchstaben in der Mitte haben.« Sie schrieb die Buchstaben ab und betrachtete sie. »Rechts von dem A, siehst du das, Ted? Da ist ein Strich nach unten und dann so was Schräges … Vielleicht ein N?«
    Ich stellte mir das Alphabet in Großbuchstaben vor. »Könnte auch ein M sein.«
    Â»Vielleicht … Aber irgendwie glaube ich, es ist ein N.« Sie klopfte mit dem Stift auf den Tisch und ich hörte, wie sie »BOMMA, DOMMA, FOMMA …« und immer so weiter vor sich hin murmelte, bis sie bei »ZOMMA« angekommen war. Sie warf den Stift hin.
    Â»Zwecklos.«
    Â»Was ist denn mit KOMMA?«, schlug ich vor. »So wie drei Komma Periode drei? Das ist nämlich meine Lieblingszahl,weil die Dreien sich nach dem Komma unendlich oft wiederholen. Sie hören einfach nicht mehr auf.«
    Â»OMMA steht doch in der Mitte, Ted! Dahinter kommt noch was«, knurrte Kat. Sie starrte die Buchstaben wieder schweigend an. »Weißt du was? Genau das ist mir passiert.«
    Â»Was?«
    Â»Das mit der unendlichen Wiederholung. Mit einem Albtraum. Ich träume ihn jede Nacht, seit Salim … verschwunden ist.«
    Â»Was passiert in dem Traum?«
    Sie schloss die Augen. »Zuerst bin ich im Leichenschauhaus. Und dort liegt dieser Junge auf einem Metalltisch und ich habe zu viel Angst, mir sein Gesicht anzusehen, Ted. Dann sitze ich plötzlich in einer Gondel des Riesenrads. Es dreht sich schnell – schneller als in Wirklichkeit. Es wird immer schneller. Ich schaue hinaus und kann nichts sehen. Es ist neblig, überall weißer Dunst. Dann hält das Riesenrad an. Als ich ganz oben bin. Es hält an. Und das Glas …«
    Â»Ja?«
    Â»Das Glas löst sich auf, Ted. Und ich falle … stürze zwischen den weißen Speichen in die Tiefe, wie durch die Fäden eines Fadenspiels. Und der Nebel … Ich kann nicht sehen, wo ich aufschlagen werde …« Sie griff sich an den Hals.
    Â»Kat, es ist ein Traum«, sagte ich.
    Â»Ja, ich weiß.« Sie schüttelte sich und blickte mit einem Seufzer wieder auf die Buchstaben. »KOMMA stimmt bestimmt nicht. Das Wort geht sicher noch weiter.« Sie beklopfte ihrenFingerknöchel mit dem Stift. »Warum trägt man Aufschriften auf der Kleidung, Ted?«
    Â»Keine Ahnung«, sagte ich. »Es sieht lustig aus, wenn die Leute rumlaufen wie Wegweiser oder Reklametafeln.«
    Â»Nicht gerade mein Modegeschmack. Vor allem diese Witz-T-Shirts mit so Sprüchen wie VORSICHT, ZERBRECHLICH!« Sie grinste. »Das habe ich neulich bei einer Frau gesehen, die hatte riesengroße …« Sie machte eine ausladende Geste vor ihrer Brust.
    Â»Hmpf«, sagte ich.
    Â»Das kann man wohl sagen. Ich glaub aber nicht, dass das hier

Weitere Kostenlose Bücher