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Der Junge, der sich in Luft auflöste

Der Junge, der sich in Luft auflöste

Titel: Der Junge, der sich in Luft auflöste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Dowd
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bitte, ob sie damit einverstanden wären, wenn wir die Presse einschalten.«
    Â»Die Presse?«
    Â»Ja. Wenn Salims Bild in den Nachrichten erscheint, meldet sich vielleicht ja jemand, der ihn gesehen hat.«
    Dad nickte. »Ich frage.«
    Â»Frau Kommissarin«, sagte ich. Meine Hand schlackerte. »Salim hatte gestern einen Anruf auf seinem Handy. Ungefähr um zehn vor elf am Vormittag. Er sagte, es wäre ›ein Freund, der aus Manchester angerufen hat, um sich zu verabschieden‹.«
    Â»Ach ja? Wie interessant.« Sie lächelte mich an, was bedeutete, dass wir Freunde werden konnten. »Wenn ein paar meiner Beamten nur halb so viel Verstand hätten wie du, Ted«, sagte sie.
    Sie nickte und schritt den kleinen Gartenpfad hinunter zu dem geparkten Streifenwagen.
    Dad und ich gingen zurück ins Wohnzimmer. Rashid sagte gerade, dass die Polizei am Tag zuvor in seine überfüllte Abendsprechstunde hereingeplatzt sei, und dass alle seine Patienten gedacht haben mussten, er sei ein zweiter Doktor Tod, was der Name war, den Zeitungsredakteure einem bösartigen Arzt verliehen hatten, der Dutzende seiner Patienten umgebracht hatte, anstatt ihnen zu helfen. Der Grund dafür war einzig und allein gewesen, dass es ihm Spaß machte. Tante Gloria krallte sich an einem Kissen fest, als wollte sie jede Sekunde damit nach ihm werfen, und sagte, das Einzige, was ihm je wichtig gewesen sei, wäre, was andere Leute von ihm dächten. Mum stand auf, packte Kat am Ellbogen und scheuchte uns zurück in die Diele.
    Sie schloss die Wohnzimmertür hinter uns.
    Â»Allmächtiger, sollen die das doch unter sich ausmachen«, sagte sie. »Lasst uns um Himmels willen eine Pizza essen gehen!«
    Das taten wir. Der Himmel muss hocherfreut gewesen sein, weil wir im Pizzalokal um die Ecke vier riesige Pizzas verdrückten. Ich trank eine Cola und Kat Sprite, Mum ihr Bier und Dad eine Flasche Mineralwasser mit Sprudel. Dad und ich schafften unsere Pizza ganz, und Mum und Kat tauschten ihre letzten Stücke und ließen nur ein bisschen Kruste übrig, was bedeutete, dass wir alle richtig hungrig gewesen waren. Und während des Essens sprachen wir gar nicht über Salim. Ich redete über Gewitter und wie sie entstehen und Kat zeigte Dad, wie sie den silbernen Nagellack von ihren Fingern runtergekriegt hatte, und er meinte, wie schön, dass die Katzenfrau nun wieder auf den Mond zurückgekehrt sei.
    Als wir zurückkamen, saßen Rashid und Tante Gloria Arm in Arm zusammen auf dem Sofa. Das erstaunte mich, bis mir wieder einfiel, was Mum immer über die Hassliebe zwischen mir und Kat sagt, woraus ich schloss, dass dasselbe auch auf Rashid und Tante Gloria zutraf. Mum sagte zu Rashid, er dürfe gerne auf dem Sofa übernachten, wenn er wolle, und er fragte, ob sie sicher sei, und sie antwortete ja, und er sagte, sie wäre sehr freundlich und das würde er gern. Und dann wurden Kat und ich nach oben geschickt, ins Bett, also taten wir es.

20
    Lauschen
    Kat rollte sich auf der Luftmatratze zusammen und schlief ein. Es wurde still im Haus.
    Sie gab ein komisches Schmatzgeräusch von sich, wie ein Hund, der Wasser schlabbert.
    Ich konnte nicht schlafen, sondern musste die ganze Zeit an Salim denken, sah sein Gesicht vor mir, das mit gehobenen Mundwinkeln zwischen den Speichen des Londoner Riesenrads auftauchte und verschwand und wiederauftauchte. Dann dachte ich daran, wie er mich als coolen Typen bezeichnet hatte und mir erzählte, dass er sich einsam fühlte. An den Jungen auf dem Metalltisch. Den Jungen im Zug. Salim oder nicht Salim.
    Ich knipste die Nachttischlampe an. Kat wachte nicht auf. Sie stöhnte nur und drehte sich um.
    Ich holte mein Wettersystembuch aus dem Schreibtisch und schaute mir das Foto von Kat und mir auf der Brücke an, aufgenommen von Salim. Ich verstehe nicht viel von Fotos, aber ich konnte sehen, dass es ein gutes Foto war, nicht die Art vonFotos, die ich immer mache, denn die Umrisse unserer Gesichter waren scharf und wir waren genau in der Mitte des Bildes. Ein schmaler Streifen des Riesenrads ragte aus meiner Schulter, mit sieben von den insgesamt zweiunddreißig Gondeln, schimmernd im Sonnenlicht.
    Ich legte das Foto wieder zurück in sein Versteck, zwischen die Kapitel über Zyklonen und Antizyklonen. Ich dachte nach. Zyklonen drehen sich entgegen dem Uhrzeigersinn. Antizyklonen drehen sich mit dem Uhrzeigersinn. Das

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