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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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ganze Fleisch bleibt einem in den Zähnen hängen«, sagte er mit frechem Blick.
    »Und ich hasse Wichtigtuer. Raus mit dir, du Arschloch.«
    »Wer ist hier ein Arschloch?«, gab der Junge zurück und trat mit dem Messer in der Hand an Cyril heran. »›Arschloch‹ kannst du zu deinem Niggervater sagen.«
    »Du machst mir keine Angst.«
    »Dabei machst du dir gerade in die Hose, Scheißnigger«, lachte der Junge und stieß ihn zurück.
    »Verschwinde ...«, sagte Cyril nun weniger entschieden.
    Erneut stieß der Junge ihn zurück. »Ich hab dir doch gesagt, du sollst mich nicht herumkommandieren, Nigger. Troll dich oder ...«
    »Joey!«, brüllte Christmas, der in dem Augenblick zur Innentür hereinkam, aus vollem Hals.
    »Hey, Diamond«, rief Joey, von einem Bein auf das andere hüpfend, als tanzte er zu einer Musik, die nur er selbst hören konnte. »Dein Sklave hier dachte, er könnte mich herumkommandieren.« Er lachte spöttisch.
    Wie eine Furie schoss Christmas auf die beiden zu und stellte sich zwischen sie. »Steck das Messer weg«, forderte er streng.
    Joey grinste ihn an. In den Knien federnd, klappte er schließlich das Messer zu und ließ es mit einer geschmeidigen Geste in seiner Tasche verschwinden. Sein Blick wanderte durch den Lagerraum. »In diesem Dreckloch arbeitest du also ...«
    Christmas packte ihn rüde am Arm und drängte ihn in Richtung der Tür, die auf die Gasse hinausführte. »Entschuldigen Sie mich, Mr. Davies. Ich bin sofort wieder da«, sagte er an Cyril gewandt, während er Joey weiter zum Ausgang schob.
    »Mr. Davies?« Mit einem übertrieben überraschten Ausdruck in den Augen sperrte Joey den Mund auf.
    »Beweg dich, Joey!«
    »Du sagst zu einem Nigger ›Mr. Davies‹?«, lachte Joey. »Scheiße, Diamond, du machst mir echt Spaß. So weit ist es also mit dir gekommen? Du arbeitest für einen Nigger und musst ihn sogar noch Mister nennen?«
    »Ich brauche nur eine Sekunde«, sagte Christmas noch einmal zu Cyril, während er die Tür hinter sich zuzog. Als er allein mit Joey in der Gasse stand, stieß er ihn von sich weg und ließ seinen Arm los. »Was willst du?«, fragte er ihn mit eisiger Stimme.
    Joey breitete die Arme aus und drehte sich einmal um die eigene Achse. »Fällt dir nichts auf?«
    »Schöner Anzug.«
    »Hundertfünfzig Dollar.«
    »Schön, hab ich doch schon gesagt.«
    »Willst du denn nicht wissen, wie ich mir den leisten kann?«
    »Ich kann’s mir denken.«
    »Tja, mein Freund, ich wette, das kannst du nicht. Ich habe jetzt einen Job. Fünfundsiebzig Dollar die Woche, aber bald werden es hundertfünfundzwanzig sein. Weißt du, was das bedeutet? Fünfhundert im Monat. Sechstausend im Jahr.« Joey zwinkerte Christmas zu, während er eine weitere Pirouette vollführte. »Es bedeutet, ich werde mir bald ein eigenes Auto kaufen.«
    »Freut mich für dich.«
    »Und du, was springt für dich in diesem Loch heraus?«
    »Zwanzig.«
    »Zwanzig? Was für ein Mist, Anständigkeit macht sich nicht bezahlt.« Wieder lachte Joey, doch es klang gekünstelt. »Wenn du ein Loch im Schuh hast, musst du es mit Pappe flicken wie Abe der Trottel, was?«
    »Sieht so aus«, gab Christmas zurück. »Ich muss jetzt wieder rein.«
    »Willst du denn gar nicht wissen, was mein Job ist?«
    »Du dealst.«
    »Falsch. Schlamming .«
    Wortlos sah Christmas ihn an.
    »Ich verwette meinen Arsch, dass du keinen Schimmer hast, wovon ich rede, stimmt’s?«
    »Es interessiert mich nicht, Joey.«
    »Ich erzähl’s dir aber trotzdem. Damit du was lernst. Alles, was du weißt, hab eigentlich ich dir beigebracht. Hab ich recht oder nicht?«
    »Ich hab’s auch wieder vergessen.«
    Joey lachte. »Du bist echt witzig, Diamond. Mir kommt es so vor, als wärst du der Sohn von Abe dem Trottel. Du redest genau wie er.«
    Christmas nickte mit gleichgültiger, kühler Miene, die Joey vor Wut beben ließ.
    » Schlamming bedeutet, du besorgst dir eine Eisenstange und wickelst sie in eine Ausgabe der New York Times . Und dann brichst du damit ein paar Arbeitern Schädel und Beine. Das macht Spaß. Hast du von dem ganzen Solidaritätsquatsch gehört, den man sich über uns Juden erzählt? Tja, das ist echt totaler Unsinn. Die reichen Westjuden heuern ostjüdische Gangster an, damit sie den ostjüdischen Habenichtsen, die für bessere Löhne streiken, eins überziehen. Witzig, was?«
    »Und wie.«
    »Na los, Diamond, komm aus der Deckung.« Während er wie ein Boxer umhertänzelte, knuffte Joey ihm in die Schulter.

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