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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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eine Frau Mitte zwanzig mit gebräuntem Teint und einer pechschwarzen krausen Lockenmähne durch eine kleine schalldichte Tür hereinkommen.
    »Na los, beeil dich«, sagte die Frau mit einem leichten spanischen Akzent. »Ich hole den Tontechniker.«
    »Ich ...«
    »Ich bitte dich, halt mich nicht noch länger auf«, unterbrach die Frau ihn, die schnell, aber in freundlichem Ton sprach. »Das Solistenmikrofon.« Sie deutete auf den Platz in der Saalmitte. »Hast du die Partitur dabei?«
    »Nein, schauen Sie, ich ...«
    »Wusste ich’s doch!«, lachte sie und zeigte ihre makellos weißen Zähne. »Ihr seid alle gleich. Schon gut, ich hole sie. Ich habe eine Kopie mehr machen lassen.« Sie ging auf die Tür zu, durch die Christmas hereingekommen war.
    Dort tauchte in dem Moment ein Mann um die vierzig mit einem schwarzen Köfferchen unter dem Arm auf.
    »Wer sind Sie denn?«, wollte die Frau wissen.
    »Man hat mich für ein Kornettsolo herbestellt«, antwortete der Neuankömmling und schwenkte seinen kleinen Koffer.
    Die Frau drehte sich zu Christmas um. »Und wer bist dann du?«
    »Ich soll ein Mikrofon einbauen. Ich arbeite unten im Lager und ...«
    »Und ich habe dich nicht zu Wort kommen lassen«, lachte sie.
    Sie ist sehr schön, dachte Christmas, strahlend.
    In einer Art Pirouette fuhr die Frau wieder zu dem Musiker herum. »Haben Sie denn die Partitur dabei?«
    »Nein.«
    Da sah die Frau erneut zu Christmas hinüber. »Was habe ich dir gesagt? Sie haben sie nie dabei«, sagte sie und zwinkerte ihm zu. »Gut, bau du inzwischen das Mikrofon ein.« Sie wandte sich wieder zu dem Musiker um. »Und Sie wärmen schon einmal Ihre Lippen an, wir zeichnen gleich auf. Ich sage dem Tontechniker Bescheid und hole Ihnen die Partitur ...«
    »Sie hat eine Kopie mehr machen lassen«, warf Christmas ein.
    Die Frau drehte sich um und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, bevor sie aus dem Raum ging.
    Christmas stellte den weißen Karton auf den Boden und packte das Mikrofon aus. Es war mit 5R3 beschriftet. Also fünfter Platz von rechts, dritte Reihe.
    Unterdessen hatte der Musiker das Kornett an die zuvor angefeuchteten Lippen gesetzt und spielte nun schnelle Tonleitern vor einem Mikrofon in der zweiten Reihe.
    »Entschuldigen Sie«, sprach Christmas ihn an, während er die Kabel anschloss. »Sie nehmen am Solistenmikrofon auf.«
    »Red keinen Unsinn«, gab der Musiker zurück. »Das Kornett spielt immer hier.«
    In dem Augenblick kam die dunkelhaarige Frau in Begleitung des Tontechnikers zurück. »Er hat aber recht. Ans Solistenmikrofon, danke«, sagte sie zu dem Musiker, während sie die Partitur auf dem Notenpult in der Saalmitte ausbreitete.
    »Wer ist denn das?«, wollte der Tontechniker wissen und deutete mit dem Kinn auf Christmas.
    »Mein persönlicher Assistent«, gab die Frau zur Antwort und lachte.
    Der Tontechniker verschwand durch eine schalldichte Tür, um kurz darauf hinter dem großen Glasrechteck wieder aufzutauchen. Die Gegensprechanlage knisterte. »Zuerst einen Pegeltest. Und bitte deinen persönlichen Assistenten, die Tür sorgfältig zu schließen, wenn er geht.«
    Die Frau drehte sich zu Christmas um, der mit dem Einbau des Mikrofons fertig war. »Willst du bleiben?«, fragte sie ihn leise.
    Christmas strahlte. »Darf ich?«
    »Du bist doch mein persönlicher Assistent, oder nicht? Komm her, setz dich zu mir.« Sie ging hinüber zu einem kleinen Tisch vor der Glasscheibe, von dem aus man den Konzertsaal überblicken konnte.
    Christmas nahm neben ihr Platz.
    »Licht aus, Ted«, sagte die Frau.
    Die Lichter im Saal senkten sich auf ein angenehmes Halbdunkel herab. Am Notenpult leuchtete eine Lampe auf.
    »Von Takt vierundfünfzig bis hundertfünfunddreißig«, sagte die Frau zu dem Musiker.
    »Tonprobe«, ließ sich der Tontechniker durch die Gegensprechanlage vernehmen.
    »Nein, Ted, mach die Tonprobe, während er das Stück probt.«
    »In Ordnung.«
    »Spiel uns die übrige Aufnahme in den Saal und lass sie ihm danach im Kopfhörer.«
    »Ich bin bereit«, sagte der Tontechniker.
    »Bereit?«, fragte die Frau den Musiker.
    Der Mann nickte.
    Mit einem Mal erfüllte Musik den Saal. Der Kornettist blickte auf die Frau. Sanft, wie ein Schmetterling, schwang sie die Hand vor dem Körper. Dann zählte sie leise: »Und ... eins, zwei, drei, vier«, bevor sie dem Musiker ein Zeichen gab. Auf den Taktschlag präzise hob das Kornett zu seiner Melodie an.
    Christmas saß mit weit aufgerissenen Augen da. Es war wie

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