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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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Cetta.
    Anstelle einer Antwort hob Christmas in einer hilflosen Geste die Arme und senkte einen Moment den Kopf.
    Der dämmrige Lichtschein, der die kleine Wohnung erhellte und der auch bis in die Küche drang, fiel durch das Fenster eines zehn mal zehn Fuß großen Zimmers herein, das Cetta hochtrabend als Salon bezeichnete. Und im Dämmerlicht erkannte Cetta Blutflecken auf dem Hemd ihres Sohnes.
    »Was haben sie mit dir gemacht?«, rief sie mit weit aufgerissenen Augen, urplötzlich hellwach. Sie stürzte auf Christmas zu und betastete den blutverschmierten Stoff.
    »Mama ... Mama, sieh dir das an«, sagte Christmas leise und wandte sich zum Sofa im Salon.
    In der Nähe des Fensters bemerkte Cetta einen pickligen Jungen, dem der Schrecken ebenso ins Gesicht geschrieben stand wie ihrem Sohn. Erst danach entdeckte sie das Mädchen mit den schwarzen Locken, das in einem weißen Kleid mit blauen Streifen an den Ärmeln und am Volant des Rockes auf dem Sofa lag. Es war von oben bis unten blutüberströmt.
    »Was habt ihr mit ihr gemacht?«, schrie Cetta und packte ihren Sohn am Hemdkragen.
    »Mama ...« Christmas hatte Tränen in den Augen. »Mama, sieh sie dir an ...«
    Cetta näherte sich dem Mädchen und drehte es an der Schulter zu sich herum. Bei dem grauenvollen Anblick zuckte sie zurück. Die Augen des Mädchens waren dick geschwollen. An der Oberlippe klaffte eine Platzwunde. Die Nasenlöcher waren blutverkrustet. Das Mädchen konnte kaum atmen. Cetta ließ ihren Blick von dem pickligen Jungen zu ihrem Sohn schweifen.
    »Wir haben sie so gefunden, Mama.« Das kindliche Zittern in Christmas’ Stimme wollte nicht nachlassen. »Wir wussten nicht, was wir tun sollten ... und da habe ich sie hergebracht ...«
    »Heilige Jungfrau«, sagte Cetta und blickte wieder auf das Mädchen.
    »Wird sie sterben?«, flüsterte Christmas.
    »Kleines, kannst du mich hören?«, fragte Cetta, den Arm um die Schultern des Mädchens gelegt. »Hol ein Glas Wasser«, trug sie ihrem Sohn auf. »Nein, den Whisky, er ist unter meinem Bett ...«
    Das Mädchen wälzte sich stöhnend hin und her.
    »Ruhig, bleib ganz ruhig ... Beeil dich, Christmas!«
    Christmas rannte ins Schlafzimmer der Mutter und holte unter dem Bett eine halb volle Flasche Whisky von schlechter Qualität hervor, den eine alte Frau aus dem Haus, eine Freundin gewisser Mafiosi, verkaufte.
    Als das Mädchen die Flasche sah, warf es sich erneut hin und her.
    »Ruhig, ruhig«, besänftigte Cetta sie, während sie den Korken aus der Flasche zog.
    Das Mädchen stöhnte auf; es schien weinen zu wollen, doch keine einzige Träne sickerte unter den aufgedunsenen, veilchenblau verfärbten Lidern hervor. Da hob es langsam eine Hand und hielt sie Cetta hin. Sie war blutüberströmt. Man hatte ihr den Ringfinger abgetrennt, in voller Länge, am Ansatz des ersten Fingergliedes.
    Entsetzt riss Cetta den Mund auf, bedeckte Lippen und Augen mit der Hand, bevor sie das Mädchen umarmte und an sich drückte. »Warum ... warum?«, murmelte sie. Entschlossen griff sie schließlich nach der Flasche. »Ich werde dir wehtun. Sehr sogar, Mädchen«, sagte sie mit ernster, fester Stimme, bevor sie unvermittelt den Inhalt der Whiskyflasche über den Fingerstumpf goss.
    Das Mädchen schrie auf. Beim Öffnen des Mundes riss die verkrustete Oberlippe auf und begann erneut zu bluten.
    Cettas Blick wanderte tiefer, auf den Rock des Mädchens, der verrutscht war. An den Innenseiten der Oberschenkel entdeckte sie noch mehr Blut. Behutsam nahm Cetta das geschundene Gesicht des Mädchens in ihre Hände. »Ich weiß, was dir zugestoßen ist«, flüsterte sie ihr ins Ohr. »Du musst nichts sagen.«
    Und als sie vom Sofa aufstand, lagen in ihrem Blick ein Schmerz und ein Hass, die sie für alle Zeit tief in sich begraben geglaubt hatte. Und ihre Augen waren wieder die des Bauernmädchens aus Aspromonte, das sie einmal gewesen war – in einem Kornfeld vergewaltigt und entjungfert – und das sie hatte vergessen wollen mit allem, was es ausgemacht hatte. Mit Ausnahme von Christmas. Ihre Augen waren die der blinden Passagierin, die im Tausch gegen die Überfahrt nach Amerika zwei Wochen lang vom Schiffskapitän missbraucht worden war. Cettas Augen waren nun die eines kleinen Mädchens und ihr Blick voll wilden Zorns.
    Sie packte Christmas am Arm und zog ihn mit sich in ihr Schlafzimmer. Dort schloss sie die Tür. Warnend streckte sie ihm daraufhin den Zeigefinger entgegen. »Wenn du jemals einer Frau etwas

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