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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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durch die Amputation entstanden war. Wieder stiegen ihm Tränen in die Augen. Doch er lächelte. »Wir sind da, Ruth.«
    »Leg sie hin und lass uns abhauen, verdammt!«
    »Wieso solltet ihr denn abhauen?«, erklang eine Stimme hinter ihnen. Sie gehörte einem Polizisten, der nun nach seiner Pfeife griff und kräftig hineinblies, während er Santo am Arm packte.
    Christmas hatte die letzten Stufen erreicht, als zwei Pfleger aus dem Krankenhaus kamen. Die beiden Männer wollten Christmas das Mädchen aus dem Arm nehmen, doch er hielt es fest, als müsste er es gegen einen Angriff verteidigen. Plötzlich war er wie von Sinnen. All die aufgestaute Spannung schien sich jetzt Luft machen zu wollen. »Nein!«, brüllte er. »Ich bringe sie rein! Ich bringe sie rein! Holt einen Arzt!«
    Die Pfleger hielten ihn fest. Von drinnen stürzten zwei weitere Krankenhausbedienstete hinzu und hoben das Mädchen auf ihre Arme. Ein weiterer Pfleger tauchte mit einer Trage in der Tür auf. Sie betteten Ruth darauf und verschwanden im Krankenhaus.
    »Sie heißt Ruth!«, schrie Christmas ihnen nach und versuchte, ihnen zu folgen, wurde jedoch sofort aufgehalten. »Ruth!«
    »Ruth, und weiter?«, fragte der Polizist. Er hatte inzwischen ein Notizbuch gezückt.
    »Ruth ...«, sagte Christmas nur und drehte sich um. Seine rasende Wut war schlagartig verflogen – und nun fühlte er sich leer und erschöpft. Er sah, wie Santo in ein Polizeiauto verfrachtet wurde.
    »Was habt ihr mit ihr gemacht?«, wollte der Polizist wissen.
    Wortlos blickte Christmas zurück zum Krankenhaus, während der Polizist ihn zum Wagen zerrte und in den Fond drückte.
    »Wir haben nichts getan«, beteuerte Santo wimmernd.
    »Das werdet ihr uns alles auf dem Revier erzählen«, gab der Polizist zurück und warf die Tür zu. Dann klopfte er auf das Wagendach, und der Fahrer gab Gas.
    Sie wurden in eine Zelle gesperrt, wo sie auf ihr Verhör warten sollten. Auf einer Pritsche saßen zwei Schwarze. Einer von beiden hatte eine tiefe Schnittwunde an der Wange. Ein blonder Typ um die dreißig – der nach Ammoniak roch und unverständliche Worte in einer unverständlichen Sprache murmelte – hockte mit starrem, verstörtem Blick zusammengekauert in einer Ecke. Und dann war da noch ein spindeldürrer Junge, der ein paar Jahre älter sein mochte als Christmas, mit langgliedrigen Pianistenhänden, die auf unnatürliche Weise glänzten, und dunklen Ringen um die Augen. Er wirkte aufgeweckt und mit allen Wassern gewaschen.
    An Christmas gewandt, deutete der Junge auf den Dreißigjährigen in der Ecke und sagte: »Pole. Hat seine Frau umgebracht. Und sich vor fünf Minuten in die Hose gepinkelt.« Er zuckte mit den Schultern und lachte.
    »Und du, weshalb bist du hier?«, wollte Christmas von ihm wissen.
    »Ich bin Taschendieb und auf Geldbörsen spezialisiert«, erklärte der Junge stolz. »Und ihr?«
    »Wir haben nichts getan!«, rief Santo erschrocken.
    Der Junge lachte.
    »Wir haben ein Mädchen vor einer verfeindeten Gang gerettet«, sagte Christmas.
    »Und wieso habt ihr das gemacht?«, fragte der Junge noch immer lachend. »Jetzt seht ihr, was ihr davon habt.«
    »Wenn jemand einer Frau etwas zuleide tut, trenne ich ihm eigenhändig den Schniedel ab und schneide ihm danach die Kehle durch. So sind die Regeln meiner Gang«, sagte Christmas in Erinnerung an die Worte seiner Mutter und machte einen Schritt auf den Jungen zu. »Und selbst wenn man mich umbringen würde, ich käme aus dem Jenseits zurück, um das Leben dieses Mistkerls in einen endlosen Albtraum zu verwandeln. Wer sich an Frauen vergreift, ist ein Feigling. Deshalb ist es mir scheißegal, ob ich hier bin. Ich habe keine Angst.«
    Schweigend sah der Junge ihn an. Christmas hielt seinem Blick stand und strich dann mit einer betont gleichgültigen Geste über sein blutbeflecktes Hemd.
    »Wie heißt du?«, fragte ihn der Junge nun mit einem gewissen Respekt in der Stimme.
    »Christmas. Und das ist Santo.«
    »Ich bin Joey.«
    Christmas nickte schweigend und eine Spur herablassend.
    »Wie heißt denn deine Gang?«, erkundigte sich der Junge.
    Mit überlegener Miene steckte Christmas die Hände in die Hosentasche. In der rechten Tasche stieß er auf einen dicken Nagel, den er am Morgen von der Straße aufgelesen hatte, um damit die Wäscheleine in der Küche sicherer zu befestigen. »Kannst du lesen, Joey?«
    »Ja«, erwiderte der Junge.
    Da hielt Christmas Santo den Nagel hin und deutete auf die Zellenwand, die mit

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