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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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seiner Mitspieler am Würfeltisch an. »Und beeil dich ein bisschen.«
    Joey und Christmas hatten unterdessen Chick in das Zimmer getragen, in dem ein schmutziges, durchgesessenes Sofa stand. Dort legten sie ihn gerade ab, als auch Big Head hereinkam.
    »He, he, was zum Teufel macht ihr da, ihr Penner?«, brüllte er. »Das Sofa gehört mir. Legt ihn auf den Boden und verschwindet.«
    Christmas und Joey warfen sich einen Blick zu.
    »Raus hier!«, brüllte Big Head.
    Die beiden Jungen verließen den Raum und verzogen sich in eine dunkle Ecke des Billardsaals. Sie sprachen kein Wort miteinander. Christmas war in Gedanken versunken. Er kam nicht dagegen an. Gemeinsam mit Chick hatte er den Zaun erreicht. Er war der Größere und Stärkere. Chick war ein Kind, dünn und zerbrechlich, und er hatte ihn weggestoßen, um als Erster durch das Loch im Zaun zu klettern. Und Chick hatte die Kugel abbekommen. Dieser Gedanke ließ Christmas nicht los. Chick hatte die Kugel abbekommen, die das Schicksal eigentlich für ihn, Christmas, bereitgehalten hatte.
    Zeiger, ein etwa fünfzigjähriger Mann, der aussah wie ein Postbeamter, betrat in Begleitung von Big Heads Mann den Billardsaal. Zeiger hatte einen schwankenden Gang. Aber er war nicht betrunken. Es war, als ginge unaufhörlich ein Zittern durch seinen Körper. Er hatte ein längliches, gelb verfärbtes Gesicht und dunkle, lose sitzende Zähne. Das schwarze Köfferchen, das er bei sich trug, fiel ihm aus der Hand und sprang auf. Chirurgische Instrumente verteilten sich über den Boden. Zeiger warf alles zurück in den Koffer, nahm ihn wieder auf und setzte seinen Weg zum Büro fort.
    Christmas sah kurz zu Joey hinüber, der den Blick niedergeschlagen hatte und nervös die Hände knetete. »Hier, nimm«, sagte Christmas und reichte ihm das zerbrochene Klappmesser.
    Joey starrte auf die Waffe, zog eine Grimasse und nahm sie schließlich entgegen, ohne zu Christmas aufzublicken. »Tut mir leid, Diamond.«
    Christmas schwieg. Kurz darauf beobachtete er, wie der Ganove, der Zeiger zu Chick geführt hatte, das Zimmer verließ und in einen Lagerraum ging. Mit einem Stoffüberwurf zum Abdecken der Billardtische kam er wieder heraus und kehrte zurück ins Büro. Langsam bewegte Christmas sich auf den Raum zu. Joey packte ihn am Arm, doch Christmas entzog sich brüsk seinem Griff. Er wollte nicht angefasst werden. Joey folgte ihm. Gerade als sie vor der angelehnten Tür standen, kam Big Head aus dem Zimmer und sah die beiden Jungen grimmig an.
    »Von jetzt an gelten der Maulwurf und Buggsy als Ratten«, sagte er. »Und ich werde mich persönlich um sie kümmern.«
    Christmas lugte in das Zimmer hinein und erhaschte einen Blick auf Chick, der weinend auf der Billarddecke lag.
    Big Head griff in seine Hosentasche, zog ein Bündel Geldscheine hervor und gab Joey hundert Dollar. »Das ist für Chicks Mutter. Er wird ein lahmes Bein behalten. Buggsy hat ihn ins Knie getroffen. Sorg dafür, dass es im Hafen ankommt.« Dann drückte er Christmas und Joey je einen Fünfziger in die Hand. »Und das ist für euch, Jungs.«
    Aus dem Büro tauchte Zeiger auf. »Hast du was für mich, Big Head?«, nuschelte er.
    »Mach, dass du wegkommst«, erwiderte Big Head, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. »Such deinen Dreck bei den Chinesen.«
    »Ich bin pleite ...«
    »Mach, dass du wegkommst, hab ich gesagt«, knurrte Big Head, wobei er ihn noch immer nicht ansah. Während Zeiger schließlich aus dem Billardsaal wankte, zeigte Big Head mit dem Finger auf einen alten Mann, der nah bei einem Spucknapf auf einem Klappstuhl saß, und brüllte zu ihm hinüber: »Verfluchter Mist, worauf wartest du, wisch endlich das Scheißblut von meinem Boden auf!«
    Der Alte fuhr hoch, ging in den Lagerraum, kam mit einem Eimer samt Schrubber und Putzlappen wieder heraus und schlurfte mit müden Beinen geräuschvoll ins Büro. Chick wurde aus dem Zimmer getragen und auf einen Stuhl gesetzt. Seine Augen waren vom vielen Weinen verquollen, die Hose war über dem Schenkel abgeschnitten und sein Knie verbunden. An seiner Socke klebte geronnenes Blut.
    »Was wollt ihr beiden denn noch?«, sagte Big Head zu Christmas und Joey. »Einen Gutenachtkuss?«
    Joey zog Christmas am Arm hinaus auf die Sutter Avenue.
    »Ich muss mir wohl eine Auszeit nehmen, während Big Head die beiden Ratten erledigt«, sagte Joey, kaum dass sie auf der Straße waren. »Vielleicht suche ich mir ja bei dir in der Gegend irgendein Loch.«
    Abwesend nickte

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