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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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Christmas zur Genüge kannte: ein resigniertes Gesicht, Filzpantoffeln, die über den Boden schlurften.
    »Ist der Trottel unterwegs?«, fragte Joey sofort, als er hereinkam.
    »Nenn ihn nicht so. Er ist dein Vater«, sagte die Frau ohne Nachdruck, eher als betete sie die Worte immer wieder wie eine Litanei herunter, ohne noch auf ein Wunder zu hoffen.
    »Lass gut sein, Ma. Das ist mein Freund Diamond.«
    Christmas streckte der Frau lächelnd die Hand entgegen.
    »Bist du Jude?«
    »Ich bin Amerikaner ...«
    »Er ist Italiener«, sagte Joey gleichzeitig.
    Die Frau zog die Hand zurück, die sie Christmas hatte reichen wollen, und ließ sie in die weite Tasche ihrer schmutzigen Schürze gleiten. Dann wandte sie sich ab und ging zurück in die Küche.
    »Komm mit, Kumpel.« Joey führte Christmas in ein enges Zimmer mit einem Bett, das ebenso klein und schmal war wie das, in dem Christmas schlief. Als er einen Holzkeil entfernte, kam das Versteck zweier Klappmesser zum Vorschein. Er nahm sie heraus und reichte eines der Messer Christmas. »Wie sollst du dich ohne das amüsieren?« Lachend verschloss er das Versteck wieder. »Ich bin weg, Ma!«, rief er, als er die Wohnungstür öffnete.
    Aus der Küche kam nur ein unverständlicher Laut.
    »Wozu brauchen wir denn das Messer?«, fragte Christmas, als sie auf der Straße standen.
    »Für den Job, den wir zu erledigen haben.«
    Die Hände in den Taschen vergraben und das Messer fest im Griff, liefen sie schweigend einige Häuserblocks weiter, bis sie vor einem schmutzigen, heruntergekommenen Diner standen. Joey ging hinein, und Christmas folgte ihm mit einem Kloß im Hals. Das Messer hielt er weiterhin mit verschwitzter, schmerzender Hand umklammert. Joey nickte der Wirtin des Diners zu und setzte sich ganz hinten im Lokal an einen Tisch.
    »Was nehmt ihr?«, wollte die beleibte Frau wissen.
    »Zwei Roastbeef-Sandwiches«, erwiderte Joey, ohne Christmas zu fragen.
    Als die Wirtin gegangen war, sah Christmas sich um. Wenige Gäste hatten sich in dem Diner eingefunden. Ein jeder saß mit gesenktem Kopf da. Keiner sprach ein Wort. »Und was tun wir jetzt?«, fragte er nervös.
    »Wir warten«, erwiderte Joey und lehnte sich auf der dunkelgrünen Polsterbank zurück.
    Die Sandwiches wurden serviert. Während Joey seines gierig verschlang, rührte Christmas das andere nicht einmal an. Er ließ es auf dem weißen Teller mit dem gesprungenen Rand liegen. In der Magengegend verspürte er einen Stich. Das Messer bohrte sich in seine Seite.
    »Willst du nichts essen?«, fragte Joey, schnappte sich Christmas’ Sandwich und biss, ohne eine Antwort abzuwarten, hinein. Er hatte es schon halb aufgegessen, als hinter einer schmutzigen Tür, die auf einen dunklen Gang hinausführte, plötzlich das Telefon klingelte. Christmas zuckte auf dem Stuhl zusammen. Joey prustete los und spie dabei ein paar Krümel über den Tisch.
    Die Wirtin des Diners nahm den Anruf entgegen. »Ist für dich, Stinky «, sagte sie mit dem Hörer in der Hand.
    »Sticky«, verbesserte Joey sie verärgert und stand auf.
    »Na, dann wasch dich mal«, gab die Frau zurück und reichte ihm den Hörer.
    »Hallo?«, meldete sich Joey mit verschwörerisch gesenkter Stimme. »Okay«, sagte er nach einer kurzen Pause nur und legte auf. »Es geht los«, erklärte er Christmas. »Die Luft ist rein.«
    »Du musst noch die beiden Sandwiches bezahlen, Stinky«, rief die Wirtin, als sie die Jungen hinausgehen sah.
    »Setz sie auf die Rechnung, Dickerchen«, entgegnete Joey.
    Keiner der Gäste wandte den Kopf oder zuckte auch nur mit einem Muskel.
    »He, was liegt an, Sticky?«, fragte ein etwa zwölfjähriger Junge, kaum dass sie draußen waren. Er war dünn und für sein Alter ziemlich klein. Seine Augen wirkten lebhaft und ängstlich zugleich. Als fände er kein Gleichgewicht, hüpfte er von einem Bein auf das andere.
    »Zieh Leine, Chick«, sagte Joey und ging weiter.
    Doch der Junge heftete sich an ihre Fersen. »Wohin gehst du, Sticky?«
    »Geh mir nicht auf die Nerven, Chick, verzieh dich.«
    »Du hast einen Job zu erledigen, stimmt’s?«, fuhr Chick fort. »Ich wette, du bist auf dem Weg in Buggsys Speakeasy .«
    »Halt die Klappe, Chick«, brauste Joey auf, blieb stehen und packte ihn am Kragen. »Woher zum Teufel weißt du das?«
    »Ich hab’s gehört ...«
    »Verfluchter Mist. Wenn du es gehört hast, hat es Buggsy womöglich auch gehört«, überlegte Joey.
    »Nein, nein, nur ich weiß davon«, quiekte Chick. »Kann

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