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Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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zu sehen, umzuwenden, ein Zwang, dem er trotzte und der verging, und dann, rascheren Schrittes, schob er das Gesicht in den Wind, schlenkerte die Schulmappe und fühlte nur noch ganz fern diesen grauen Morgen, dessen Nebel sich längst in der Sonne zerlöst hatten. Im Niederbücken griff er eine Hand voll Schnee, ballte ihn, und ein Ziel suchend, sah er drüben den gebückten Schatten von Klotzsch, merkte ein schreckhaftes Zusammenfahren, als der Ball traf, und schrie: »He! Werner! Werner, hier!«
    Als jener nur abwehrend winkte, lief er schräg über den Damm, fasste die Schulter. »Was hast du, Mensch?«
    »Keine Zeit. Essengehen.«
    »Ach, was, Essengehen! ›Der Tag ist heut so schön! Wo ist Chasseur?‹« Er lachte. Dann, Schritt haltend, als Klotzsch schwieg: »Du bist mies?«
    »Und du fidel!«
    »Hab ich nicht Ursache? Karzer geschenkt, nur Nachsitzen!«
    »Kaum Grund genug«, murrte Klotzsch und ging schneller.
    »Heißt?«
    »Nun, Ilse – Fräulein Lorenz getroffen!«
    »Sahst du uns?«
    »So was nicht sehen! Halbe Stunde habt ihr euch angehimmelt!«
    »Und du hast so lang zugesehen?«
    Klotzsch zuckte die Achsel. Kai griff nach seinem Arm, den Werner unwillig befreite. »Lass!«
    »Im Ernst: was hast du, Werner?«
    »Was soll ich haben? Nichts.«
    »Sag mal, Mann, ich glaube, du bist verdreht!«
    »Ihr habt nichts miteinander …?«
    »Werner! Klotzsch!«
    »Dein großes Ehrenwort?«
    Kai zögerte.
    »Da siehst du’s! Ausspannen willst du sie mir!«
    »Mein großes Ehrenwort! Wir haben nichts!«
    Klotzsch verlangsamte den Schritt, blickte auf. »Wirklich?«
    »Wenn ich doch sage: großes Ehrenwort.«
    »Sei nicht böse, Kai, ich glaube wirklich, ich war etwas verdreht.«
    »Das warst du: verliebt.«
    »Nun ja.« Klotzsch lächelte, stolz, doch nicht ohne Verlegenheit.
    Sie schwiegen, gingen langsamer. Kai fragte: »Und der Wandervogel?«
    »Sonntag. Also morgen. Wenn du magst.«
    »Ich mag schon. Aber ob der alte Herr … Ach was, natürlich! Wo mir der Karzer erlassen ist.«
    »Also morgen früh um sechs. Am Bahnhof. Auf Wiederschauen.«
    »Servus!«
    Stehenbleibend sah Kai ihm nach. Wie Werner dort, rascher und aufrecht nun, sich entfernte, war auch er jenem toten Hans beigesellt, einmal geliebt, und schon ganz ausgelöscht und nichts als ein Belangloses.

23
    »Wieder so spät, Kai! Kannst du nie zur Zeit kommen?«
    Er murmelte, wollte sich setzen, fand seinen Platz ohne Gedeck. Die Mutter sagte: »Du weißt, Papa hat dir verboten, mit uns zu essen. Geh nach oben, ich schicke dir das Mädchen.«
    Die Geschwister lächelten. Eines flüsterte: »Der Dichter«, und Lachen verstärkte sich.
    Durch die bunt verglasten Scheiben fiel der Abglanz einer Sonne, die man nicht sah, die aber da war und an der man eben noch teilhatte. Schon schien Bitten besser als Ausgeschlossensein: »Bitte, Mama, lass mich doch mitessen. Sicher erlaubt es Papa: der Karzer ist mir erlassen.«
    »Dir erlassen? Das wird Papa freuen. Und die Mathematikarbeit?«
    »Soll ich nachschreiben, es ist aber kein Karzer.«
    »Ja, ich glaube … Ich denke, dann wird es Papa recht sein.«
    Lotte meinte: »Lass ihn nur mitessen. Wenn er schon keinen Karzer hat. Und überhaupt – – – Dichten ist kaum ein Verbrechen.«
    »Ich bitte mir aus, Lotte …!«, rief die Mutter.
    Tief verwirrt drehte Kai den Löffel in der Hand. »Fünf soll ich Ilse treffen. Und von vier bis sechs nachsitzen! Wie konnte ich das vergessen!«
    Während das Gespräch der andern ferner und getrennt dahinfloss: »Sie wird warten, eine viertel, auch eine halbe Stunde. Sie ist zornig, sie geht. Ihr Mund dünn, ganz schmal. – Ich darf sie nicht warten lassen! Wenn in den dunkelnden Straßen der Umriss ihres Rückens verschwindet, dann erst habe ich alles verloren. Ich muss ihr schreiben. – Aber der Brief kommt zu spät!«
    Über den Flur ein Schritt, Schlüssel klappern. »Papa«, sagt die Mutter, sie rückt auf dem Stuhl, seufzt leise. Ihr rascher Blick, der Kai streift, erfüllt ihn mit einer leichten Angst. Die Luft ist mit Spannung geladen. Noch ein leises Schaben der Löffel am Tellerboden. Kai senkt den Blick.
    Beim Eintritt des Vaters scheinen die noch glitzernden Fenster in der kälteren Luft zu erblinden. Er küsst die Mutter. Weiteressend murmeln die Kinder: »Guten Tag.«
    Papa sieht auf. Seine Stirn wird faltig. Nach Kai blickend, setzt er sich. »Halte dich grade, Kai!«
    Es wird noch stiller. Das Klappern eines Löffels klingt auf und verstummt wie der

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