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Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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sich aus. – Nein, nicht nur den Oberkörper freimachen, ganz ausziehen.«
    ›Ich will nicht, aber ich muss. Und sicher habe ich schmutzige Füße. Nein, nun lege ich mich so hin, Hände und Arme werfe ich ganz fort, all den Fleischkram, den ich verachte. – Was tut er? Warum kommt er nicht und beklopft mich?‹
    »Was haben Sie an den Armen, Kai? Gebissen?«
    ›Natürlich habe ich mich gebissen. Aber ihm das erzählen?‹ Und er legte den Kopf zurück. »Ich weiß nicht.«
    »Nun lassen Sie mal diese alberne Trotzerei. Sie sind doch hier, dass ich Ihnen helfe. Wenn Sie nicht wollen, so stehen Sie auf und gehen. Aber hier rumliegen und maulen …«
    ›Oh, ich ginge schon. Aber er sagt das nur. Er hielte mich wieder.‹
    Und dann, ganz plötzlich: »Hören Sie, Herr Doktor, es hat gar keinen Zweck, dass sie mich untersuchen. Wissen Sie, ich zieh mich an. Sie haben’s ja selber gesagt. Nun tu ich’s. Und, nein, nicht umsonst, ich kaufe mich frei von Ihnen, richtig frei. Ich erzähle Ihnen was. Papa, mein Vater, nun, das müssen Sie wissen, der ist erst richtig krank. Den müssen Sie mal untersuchen … so, gleich, ich gehe doch. Gleich sage ich es Ihnen, erst muss ich bei der Tür sein, dann sage ich Ihnen das Richtige, dass Sie mich gehen lassen, sonst halten Sie mich ja doch. – Nein, jetzt nicht reden. Wissen Sie, warum ich es sage? Sehen Sie, Sie haben mich gequält, nun quäle ich dafür Papa. Jetzt fühlt er’s, glauben Sie mir, er fühlt’s. Sie meinen, ich schäme mich. Nein, ganz und gar nicht. Ich, müssen Sie wissen, kaufe mich ja frei. Von Ihnen und den Eltern: dann sind nur noch drei da oder vier: Ilse, Margot, Erna, Arne. Und versteht sich: Kai. Kai. Kai. Nein, kommen Sie nicht her. Jetzt bin ich frei. Jetzt habe ich die Klinke in der Hand. Also – nein, ich sage es Ihnen näher«, und er beugte sich zum Arzt, der ihn unverwandt ansah, »nun denn, die Sache ist die: heute Mittag, der Papa, der Vater, ach, der Herr Papa mit dem Spitzbart,heute Mittag, jetzt also – sogar die Serviette hatte er um den Hals (das ist übrigens gar nicht wahr!) – fällt er auf die Knie vor der Mama, und sie weint! Sie ahnen nicht, wie sie weint! Fällt er vor ihr also auf die Knie, fasst sie um und um. Und schreit: ›O Margrit‹, schreit er, ›Margrit, warum hast du mir das getan!‹ Und nun adieu, Herr Doktor, zu Ihnen, da komme ich ja auch lange nicht wieder. Nehmen Sie den Herrn Papa, den alten Herrn, da lohnt’s. Da können Sie fragen, was Sie wollen. Mich zu schicken! Nein! Und nun wirklich adieu. Ich danke Ihnen, danke Ihnen vielmals.«
    Die Tür geht. Er steht draußen. Der Arzt kommt nicht nach, lässt ihn gehen. »So ein dummer Kerl, nicht zu merken …
    Hier schon die Treppe. Aber immer noch kann er nachrufen, nachlaufen. Und doch, ich darf nicht rennen, keine Angst bekommen. In der Furcht bricht drinnen alles zusammen, und dann liege ich. Sieh, schon die Haustür.
    In seinem Zimmer ist kein Licht mehr. Was? Kein Licht! Er schleicht nach, will mich belauern, einfangen. Was tun? Denn dieses ist das oberste Gesetz, in ihm hängen Moses und die Propheten, nicht umsehen, immer grade aus. – Wie weh der Nacken davon tut. Er verhärtet sich, wird Stahl, der scharfkantig auf Fleisch drückt. Eigentlich – die Haut darunter müsste ein feuchtes Weiß sein, das sich geworfen hat. Ob auch Ohrwürmer darunter sitzen wie unter den flachen Steinen im Garten? – Nein, er kommt nicht, aber oben, in seinem Zimmer, im Dunkel allein, hängt die Venus. Die Nacht liegt richtig an ihrer nackten Brust, die so drängt, gar nicht zugedeckt, nie zugedeckt. Tausend Jahre.«
    Er setzte sich auf eine Bank, und mählich fühlte er, mit dem Wind, der durch die Bäume strich, eine schwer machende Beruhigung in sich hineinwehen. Stolz kam auf. Er reckte dieArme. »Was für eine Abfuhr. Kein Wort sagte er. Verstummt lauschte er dem Fluss meines Vortrages. Sieger; Sieger über ihn, Sieger über Papa. – Sieger?«
    Er zögerte und nun wusste er’s. Wie von einem Blitz dem Dunkel entrissen, war es da, blendend vor seinen Augen, und: »Sieger? Trauriger Besiegter! Wieder verraten, überwältigt, in Gänge gejagt, die ich nie gewählt. Was soll werden? Was? Alles verraten. Dieses bei Tisch … und Papa wird’s erfahren. Immer weiter geht es. Und kein Ausruhen!«
    Er stand auf. Das Gefühl äußerster Wehrlosigkeit nahm Lust zur Abwehr. Er schlich in die Stadt. Die letzten Lastwagen polterten mit trabenden Pferden, die klirrend die

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