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Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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seiner Rolle hier ein Endes sei.«
    Nun stand sie, schon konnte man sich fürchten, da man sie nun, die Empörte, sah: bleich, die Backenknochen überschattet, die Stirn verzackt und um das Kinn etwas gleich Mühlsteingemahle. Und dass die Empörung unverständlich, machte es besser noch, fortzutreten.
    »O, pfui du! Er war so gut!«
    Schon saß sie, ihr Rücken zuckte und feucht schien es den Händen überm Gesicht zu entquellen.
    Sollte man steicheln? Das Haar? Die Hände fortziehen?
    Man stand abseits und stammelte dieses und jenes: »O, Ilse! Nicht doch …! Was ist …? Ich verstehe nicht … Ich wollte dir nicht wehtun.«
    Aber sie, Hass in der Stimme: »Was du tust! Was soll er denken!«
    »Er? Denken?« Und wollte sagen: »Ist das nicht gleich?«
    Aber dies schien nicht ratsam, und da für andres der rechte Ton nicht zu finden, schwieg man.
    »Du gehst zu ihm! Gleich!«
    »Ich gehe zu ihm. Sofort.«
    Folgsam sagte er’s, doch wusste er es anders.
    »Es sei ein Irrtum.«
    »Irrtum. Jawohl.«
    »Prahlerei von dir.«
    ›Wenn schon …‹, dachte er. ›Gar nicht!‹
    Sie bestand darauf: »Prahlerei von dir!«
    Er, leichthin: »Prahlerei von mir. Aber gewiss.«
    Aber sie, nun das Gesicht erhoben, genässt und eigentlichbeschmutzt von trostlosem Gereibe der Hände: »Nimm es nicht so leicht. Du musst es tun. Sonst …«
    »Ich tue es.«
    »Du gehst? Gleich?«
    »Ich gehe gleich.«
    Aber er blieb stehen.
    Sie überflog ihn. »Warum tatest du es, Kai? Musst du Schlechtes tun?«
    Und er: »Ich wusste nicht, dass es schlecht sei.«
    Sie trat näher. »Es war schlecht. Siehst du es ein?«
    »Ich sehe es ein.«
    Aber drinnen schien es richtiger zu singen: mach End, o Herr, mach Ende.
    »Du tust es nicht wieder?« Und ihr Blick schmolz.
    »Nein. Nie.«
    »Nie wieder?«
    Und er hob bekräftigend die Hände.
    »Du bist gut«, sagte sie und suchte ihrer Weichheit irgendeine Hingabe, fand sie nicht, setzte sich dann.
    »Ich will gehen«, sagte er.
    »Schon?«
    Und er, sehr erstaunt schien es: »Zu ihm!«
    »Du sollst nicht gehen, Lieber. Es wäre zu viel. Ich schreibe ihm.«
    Und dann summte wieder das schon vergessene Gas, kleine Dinge ihres Lebens marschierten, ihm erklärt zu sein, und am Ende war alles Erlebte unwahr und das Taube im Hirn, das Hornige aus der Nacht hatte auch dies überdauert.

46
    Kai ließ sich gleiten – Kissen schmiegten weich den Nacken, armselig und strähnig, der er war. Die Glieder ruhten. Im Windzug treibender Gedanken zerging flockig Alkoholnebel, Bilder kamen, sie glühten auf, eine schmerzliche Süße zwängte ihn diesen Munden zu und ließ ihn trüb nachträumen abgekehrten Schultern.
    »Wieder wäre ich daheim. Diesen Nachmittag warf ich Worte, hetzte mich, weiter und weiter, am Ende lag ich doch, aus Schlafwandel gestürzt, an der Hürde des alten Rätsels. Seine Lösung suchend durchtastete ich Straßen, warf mich an diese und jene, aber nur Wind war ich, verblies mit dem kälteren Bruder an einer Ecke oder dort hinten, wo die Gläser der Laternen unter dürftig entlaubten Bäumen klirrten.«
    »Mädchen streiften an meinen Schultern vorüber. Die einen hielten die Lider gesenkt, die lang waren, und wenn sie sich hoben, wehte ein leiser Wind mir zu. Andere richteten ihren starren Blick durch mich durch, meines Flehens nicht achtend, und sahen fernere Gestalten, männlichere, die ihre Hand nehmen würden. Alle aber schoben den Hals ein wenig, indem sie die Wange von den seidigen Streicheleien der Pelzkragen kitzeln ließen; süß tanzte ihr Kehlkopf, Feuchtes verschluckend.«
    »Eine sah ich: sie hatte den Fuß auf einen Bordstein gesetzt und knüpfte die Bänder; der lange weichbraune Schaft ihres Schuhes war festgeschnürt, er umzackte zärtlich das Fleisch ihrer Wade. Im Schnee hätte ich liegen mögen, dort, und mit Lippen und Zunge die Bänder knüpfen, die verschlungenen, beschmutzten. Sie warf ihren Rock ein wenig links, als sie ausschritt, ihre Schulter wies die Welt fort, aber meinen Blick hatte sie nicht gesehen.«
    »Jene andere fing ihn ein: über die braune Schulter kehrte sie ein blasses und steiles Profil; während der Blick prüfte, teilte rötlich und feucht ihre Zunge das Schmiegsame des Mundwinkels. Ich folgte, mein Herz schlug, wir durchzogen einsam gefüllte Straßen, am sinnlos erhellten Schaufenster spürte ich ihre Nähe; breit zerdrückt streifte ihr Rock mit einer Falte mein Knie, nackt besprang ihre Hand die Scheibe.«
    »Dann kam der Blick, er schlug voll auf

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