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Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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und verbot Flucht – ich weiß mein Zittern –, doch schon hatte sie mich erkannt, den Unwissenden, den Feigen, und strich fort unter die andern, während ihr Blick stärker und stärker wie ein zu großes Ding meine Aderwände weitete.«
    Er seufzte. Sein gesenktes Auge hob sich, es durchirrte das Zimmer, halberschlossen fragte es da und dort und hier.
    »Nichts? Gar nichts? Den ganzen Tag war ich fort, mit Ilse stritt und log ich, suchte den Gral, und nun, hier, wisst ihr nichts davon? Wie? Es wäre umsonst? Ich sei derselbe? Jedes Bild sickere fort aus der zu sehnenden Hand?«
    Er schwieg neu. Ein Glas im Schrank klingelte nach und verstummte.
    »Wie suchte ich! Das Goldstück zwischen Daumen und Zeigefinger ließ ich es dann und wann aufspiegeln, den Mädchen ins Auge, Lockung, da ich zu wenig Lockung war. Sie achteten auch dies nicht.«
    »Jener im Café, – wie hoffte ich, er werde mit mir gehen in die Gassen, die dunklen, die wie Sturzbäche zwischen die Häuser eingerissen sind. Auf ihrem Grunde schaukeln die roten Kugeln der Lampen, – an seiner Seite hätte ich es gewagt, ohne Furcht, den Neuling verlacht zu sehen; aber eine schwarzlockige Dicke lockte ihn von meinem Tisch, und ich blieb allein.«
    Er seufzte; es flog fort, das kleine Gerede, dürftig beschwingt, ein wenig wehmütig, und umhängte, ruhenden Fledermäusen gleich, den Stuckfries der Decke, kopfabwärts.
    »Auch der Kellner achtete mich nicht. Trank ich schon viel, mehr als die andern, irgendwie erkannte er mich, und sein Ton klang, als sei es auch mein Amt, Bier zu schenken.«
    Er sann, aber die Bilder trieben weiter, und er sah sie nun, jene Blonde, mit dem roten Hut, der er im Aufstehen gewinkt, mit dem Kopf auf die Straße verwiesen.
    »Sie verstand mich. Ich durfte hoffen. Auch sie rief den Kellner zur Zahlung. Ich wartete. Schnee trieb. Viele gingen. Manchen lief ich nach, lange, um ihr Gesicht im Schein der Lampen als fremd zu verweisen, und kaum zurückgekehrt, flatterte ein neuer Rock. Furcht, sie werde es sein.«
    »Ich entschloss mich, teilte den Vorhang: und sie saß da, und ihr Gesicht höhnte den Beschneiten, Erfrorenen, der gewartet hatte, trotzdem er außer Betracht. Ich ging.«
    »Hier bin ich wieder«, murmelte er, und unablässig über die Innenseite des Gesichtes rinnende Tränen schienen ihn mit dem Winde äußersten Verlassenseins zu beblasen.
    »Hier bin ich. Unwissend wie je. Arne nimmt Margot am Arm. Alle andern wissen. Ich?«
    Er zögerte: ein Weg breitete sich auf, dunkel von Laub überhängt, Himmel sah man nicht, aber seitlich lohten Feuer. Am Ende erhöht lockte ein Weißes, es sang und klingelte mit Gläsern. Dann warf es die Beine.
    Kai schloss die Augen: Ilse trieb weinend vorüber; Knechtung, Verlust drohte – »aber nein, wissen will ich!«
    Und er schrieb den Brief an Margot.

47
    Sie schritten auf Kai zu, kleine Schneewirbel stäubten vor ihren Schuhspitzen, die Arme hangelten lautlos. Mit den Filzrändern ihrer Hüte setzten sie groteske Kurven und Kreise in die trübe Luft; an ihren Bärten, im Gespinst der Schleier hingen Spinnen gleich Tröpfchen, halb erfroren.
    Da diese vorüber waren, entschritt sie ins Freie der Tür, noch den Kopf gewandt und ein zu gerundetes Wort ins schwarz Klaffende werfend. Lang schlugen die Knie leichte Zucke in den blaugrauen Rock, den der Schnee torkelnd beflockte. Bauschig überquellend zerdrückte ein Barett die schweren Haarflechten.
    Ilses Hand glitt auf den Grund der seinen wie ein gedunsener und süßlich erwärmter Leichnam. Sie lachte. »Wie du gefroren hast! Deine Nase ist blau. So blau!«
    Doch verweigerte er dies, wenn schon ihre Achseln neben ihm zuckten, lustig, seinen Trübsinn in den Schnee hinter sich gleiten zu lassen –: er drückte ihn fest und beharrte darauf, verbissen aufwühlend, dieses: Frieren, Leidensmöglichkeit genug, Winter, feindlich im Glotzen. Die Eisbahn spiegelte: sein knöchelgeknicktes Humpeln, Spott und in allem knirschte die Kälte, die das Herz sprüngig gefrieren ließ, dass es glasachtsam schlug und zu leise: wie Zehentasten an die Geldlade des Vaters.
    Dann schwiegen sie. Die Laternenreihen der Straße funkelten ihren Schritten vorauf –: aber am Ende ruhte das Auge im schließlichen Zusammenfließen der Schimmer, und indem man das erfahrene Schneiden der Parallelen im Unendlichen erwog, war es so ins letzte Hoffen ermutigungslos, dass nun die von einer Ilse Lorenz und jenem Kai Goedeschal dicht zu nah gesetzten Fußspuren

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