Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
die Lippen und verabschiedete sich.
    Als der Indianer Jack-Harry die Stube des Malers verließ, hatte er durch das Fenster schon den Ingenieur über den Hof kommen sehen. Er war daher die Turmtreppe nicht hinunter-, sondern ein Stück hinaufgegangen. Sobald Henry die Stubentür hinter sich zugeknallt hatte, war der Indianer die Treppenstufen lautlos wieder hinabgestiegen und hatte gelauscht. Der Inhalt des Gesprächs zwischen Morris und Henry war ihm somit bekannt. Kurz ehe Henry die Stube verließ, ging der Indianer aus dem Turmgebäude hinaus. Er begab sich in den Stall hinüber, in dem er mit Bobby Kraushaar zusammen geschlafen hatte. Dort fand er den Neger noch in der gleichen Stallecke hocken und setzte sich zu ihm. »Henry reitet morgen früh mit einem Brief an Smith zum Niobrara«, sagte er in der Sprache der Dakota. »Wir beide begleiten ihn. Der Brief wird nicht an sein Ziel kommen.«
    Bob machte dazu keine Bemerkung. Henry war in seinen Augen nur ein kleiner Fisch.
    Dem Indianer und dem Neger stand als Läufern Naturalverpflegung zu. Bobby Kraushaar hatte die Ration des Tages schon für beide abgeholt und kaute jetzt an einem Stück Konservenfleisch, während der Indianer einen Knochen abnagte.
    »Hier beim Fort fängt eine Reservation für die Dakota an. Das ist das Osteck«, sagte Bobby Kraushaar auf einmal.
    »Hast du nicht mehr erfahren?«
    »Doch. Es werden mehrere Reservationen eingerichtet, und der Stamm der Dakota soll gespalten werden. Bei Fort Robinson bauen sie Agenturbaracken aus. Dort wird künftig einer der Männer wohnen, die über die Krieger der Dakota befehlen sollen. Sie haben sich hier alle schon geeinigt, wie sie die Beute unter sich teilen wollen. Major Jones läßt sich pensionieren und wird ein Reservationsagent. Er braucht nicht immer in der Einöde zu leben; er wird sich einen Vertreter nehmen. Jonny, der fette Wetteinnehmer mit der Glatze, will eine Gastwirtschaft bei dieser Agentur aufmachen. Anthony Roach sieht sich schon als Capt’n und militärischen Befehlshaber. Der zahnlose Ben denkt daran, das Fort am Niobrara wieder in eine Handelsstation umzuwandeln, sobald er uns nicht mehr zu fürchten braucht! Aber die Grenzen der Reservationen sind alle noch offen. Es werden vorläufig nur Dragoner und Rauhreiter umherreiten, um die Dakota in diesen Stall zu treiben und dort zu bewachen.«
    »Die Grenzen sind auf den Karten zu sehen, aber nicht auf der Prärie. Die Herren haben ohne uns gerechnet. Wenn nur die achtzig Krieger gekommen wären, um die ich unsere Oberhäuptlinge gebeten hatte, ich hätte während des Stockballspiels das ganze Fort Randall ausgehoben.«
    »Du hättest das gekonnt. Aber die achtzig Krieger waren nicht da, und so vermochtest du nichts weiter zu tun, als dir in den Pausen ein paar Papiere anzusehen und eine Zigarette zu holen. Fort Randall ist bestehen geblieben. Mein Bruder, du weißt, ich fürchte, daß die Dakota einen großen Fehler gemacht haben. Sie haben bis heute Büffel gejagt. Die Büffel werden immer weniger. Die Dakota aber haben nicht gelernt, Vieh zu züchten.«
    »Wie geht es mit deiner Pferdezucht, Tschapa Kraushaar?«
    »Du weißt es. Zwei meiner Fohlen sind mir krepiert, und die Krieger sagen, daß dein Falbhengst, den du dir wild eingefangen hast, alle anderen Mustangs übertrifft.«
    »Tschapa, werden wir in diesem Sommer damit beginnen können, ernsthafter über zahme Büffel nachzudenken?«
    »Nein, in diesem Sommer sprechen die Waffen, das sehe ich kommen. Aber was soll dann aus uns werden?«
    »Auf der Reservation?« fragte der Indianer. Seine Stimme klang verändert; der Haß durchbrach die Kruste der Beherrschung.
    »Auf diesen Reservationen, die uns der Große Vater anweist, könnten wir auch als Farmer nicht selbständig leben. Sie sind zu klein, und es ist zuviel schlechtes Land dabei. Aber wir können auch nicht ewig Büffel jagen. In den letzten beiden Sommern sind die Büffel schon um die Hälfte weniger geworden.«
    Der Indianer beantwortete diese Feststellung mit Schweigen.
    »Was also dann?« fragte Kraushaar.
    »Wir müssen frei bleiben und etwas lernen. Nur ein freier Mann lernt gut. Ich habe jetzt unter unseren Männern genug Ansehen gewonnen, um für dich und deine Pläne zu sprechen, sobald der große Kampf beendet ist.«
    Kraushaar legte seine Hand auf die seines Gefährten. »Gut, du hast das Rechte gesagt. Ich war als Kind ein Sklave. Mein Vater ist mit mir zu euch geflohen. Ich will nicht mit euch zusammen wieder

Weitere Kostenlose Bücher