Der junge Häuptling
Dragonern aus. Damit mußte auch der Indianer rechnen. Cate betrachtete den Feind noch einmal von der Seite. In der Art, wie er gesprochen hatte, in seinen Bewegungen, in seinem Blick lagen eine Sicherheit und Überlegenheit, die dem Mädchen zwar Furcht, aber auch Achtung, allmählich sogar ein gewisses Vertrauen einflößten. Vielleicht war es möglich, mit ihm noch einmal zu sprechen, vielleicht war es möglich, mit diesem Dakota zu verhandeln. Ja, es konnte sein, daß er das sogar erwartete.
Cate faßte einen Entschluß. Sie wollte den Sieger bitten, sie gegen ein Lösegeld zu ihrem Vater zu bringen. Als sie mit ihren Gedanken so weit gekommen war, schreckte sie ein donnerndes Getrampel von Pferdehufen von neuem auf. Das Geräusch kam aus nordöstlicher Richtung, und kaum hatte sie es vernommen, da erschien auch schon die Reiterschar, die es verursachte. Sie bestand aus sieben jungen Indianern, die auf gescheckten Mustangs heranpreschten. Die sieben Reiter waren sich erstaunlich ähnlich. Sehnig und geschmeidig saßen sie auf ihren ungesattelten Pferden. Ihre straffen Haare waren blauschwarz, ihre Haut braun. Wangen, Arme und Brust waren mit roten Zeichen bemalt. Die jungen Krieger waren ausnahmslos mit Steinkeule, Messer, Pfeil und Bogen bewaffnet. Sie mußten die Schüsse gehört haben und wollten sicherlich Tokei-ihto zu Hilfe eilen.
Beim Anblick des erbeuteten Munitionswagens und ihres nur leicht verletzten Stammesgenossen auf dem Kutschbock brachen die jugendlichen Reiter in lautes Jauchzen aus. Kurz vor dem Gespann parierten sie die Tiere, so daß die Mustangs hoch stiegen. Es lag viel Kraft, Gewandtheit und freudiger Übermut in diesem Reiterkunststück, das Cate unwillkürlich bewunderte.
Der Indianer auf dem Munitionswagen rief, und sein Falbe lief ihm zu. Der Dakota ergriff seine Büchse, sprang hinüber auf den Rücken des Tieres und hielt so zu Pferde vor der Reiterschar. Auf sein Handzeichen hin begann der eine der jungen Krieger zu berichten, jedoch in einer Sprache, die Cate nicht verstand. Anschließend gab der Häuptling einige Anweisungen.
Drei der jungen Männer trieben daraufhin ihre Mustangs zu einem gestreckten Galopp in die Richtung, in der das Blockhaus lag. Die übrigen vier sprangen ab, spannten das Maultier aus und lösten die Plane vom Wagen. Der Anführer befahl Cate, aus dem Wagen herauszukommen. Sie folgte und kletterte herunter. Verlegen stand sie da, mit den kleinen Füßen in einer Pfütze. Ihr Häubchen warverrutscht, so daß die Locken hervorquollen.
Die vier jungen Indianer waren damit beschäftigt, Munition und Waffen aus dem Wagen auszuladen und das Maultier sowie die Mustangs damit zu bepacken. Sie arbeiteten schnell und ohne sich umzusehen. Kein Blick streifte das Mädchen, obwohl ein jeder der jungen Dakota neugierig sein mochte, was für eine Beute ihr Anführer hier gemacht hatte. Cate fiel es auf, daß der schwarze Schopf der jungen Leute je mit einem Büschel rot gefärbter Tierhaare geziert war, und sie erinnerte sich, gehört zu haben, daß die Angehörigen bestimmter Kriegerbünde derartige Zeichen trugen. Vielleicht waren es die Mitglieder eines solchen Bundes gewesen, die den Überfall auf die Munitionskolonne ausgeführt hatten.
Sobald alles aufgepackt war, gab der Häuptling wieder seine Befehle, und die jungen Krieger ritten in nördlicher Richtung davon. Als sie verschwunden waren, wandte sich der Häuptling Cate zu, die immer noch gedankenvoll in der Pfütze stand. »Komm!«
Das Mädchen fuhr unwillkürlich zusammen und begriff, daß sie jetzt reden mußte, wenn sie überhaupt den Versuch dazu machen wollte. Der Häuptling hatte sie nicht von seinen Kriegern fortbringen lassen, er wollte sie selbst mitnehmen. Sie stand ihm allein gegenüber. Es war nicht leicht, an der eben erst erkämpften inneren Sicherheit festzuhalten; wie eine Flut brach die Angst wieder über Cate herein. Hilfesuchend schaute sie nach dem Munitionswagen, diesem letzten Stück aus der Welt, in der sie bisher gelebt hatte. Das Gefährt stand mit gesenkter Deichsel da, als sehe es sein Schicksal, hier verfaulen zu sollen, voraus. Cate wandte den Blick ab. »Mein Vater würde Euch ein Lösegeld geben«, preßte sie hervor und versuchte dabei vergeblich, aus den Mienen des Indianers etwas herauszulesen. »Was Ihr auch braucht, das kann Euch mein Vater geben.« Sie hatte sich das ausgedacht, aber nun klang alles viel ungeschickter, als sie geglaubt hatte, und sie wartete mit Furcht
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