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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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rechtsgültig. Die Verräter, die unterschrieben hatten, sind nach unseren Sitten nicht befugt, solche Verträge ohne Zustimmung der Ratsversammlung abzuschließen. Wenn Oberst Jackman ein Mann von Ehre ist, wird er eine solche Handlungsweise selbst verachten.«
    »Mäßige deine Sprache, Rothaut!« Jackman wurde krebsrot im Gesicht. »Hier ist der Vertrag, der euch eure ewigen Reservationen und die Renten anweist. Halte den Mund und male dein Totem darunter. Ich verlange jetzt, daß du sofort unterschreibst!«
    »Ich unterschreibe nicht! Sieh deine Karte an! Nichts als schlechte Stücke unseres weiten Landes, dürre, wasserlose, unfruchtbare Prärien, wollt ihr uns lassen. Büffeljagd war harte Arbeit. Wir sind bereit, die leichtere Arbeit der Weißen zu erlernen, aber als freie Männer auf fruchtbarem Land. Wir gehen nicht in einen Stall, in dem wir gehalten und gefüttert werden wie gefangene Kaninchen und aus dem ihr uns bald wieder in einen noch kleineren und noch schlechteren Stall treiben werdet. Die ›Ewigkeiten‹ der weißen Männer sind uns bekannt. Sie währen nicht länger als einige Jahre. Ich habe keine Vollmacht zu unterschreiben, und ich handle nicht gegen den Beschluß der Ratsmänner meines Stammes. Ich habe gesprochen, hau!« Jackman hatte die Rechte zur Faust geballt, er zitterte.
    »Du unterschreibst nicht, daß ihr auf die euch angewiesenen Reservationen gehen werdet?! Es geht um eine Anordnung des Präsidenten, und ihr werdet gehorchen – oder ihr seid Rebellen und Verbrecher! Als Verbrecher werde ich euch behandeln!«
    »Was haben diese Worte zu bedeuten?«
    »Du unterschreibst – oder du bist mein Gefangener!«
    Der Häuptling antwortete Jackman nicht. Seine Augen richteten sich auf Smith.
    Der weißhaarige Major erhob sich und trat an die untere Schmalseite des Tisches, so daß Fred Clarke und die beiden anderen Rauhreiter, die hier gestanden hatten, ein paar Schritte zurückweichen mußten.
    »Oberst Jackman, ich bitte um die Erlaubnis, in dieser Sache das Wort zu ergreifen. Die Einladung, die die Häuptlinge der Dakota erhalten haben, trägt auch meinen Namen. In diesem Brief sind die Häuptlinge aufgefordert worden, zu einer Aussprache hierherzukommen, unter der ausdrücklichen Zusicherung, daß sie frei kommen und frei gehen, wie es ihnen beliebt. Es waren keinerlei Bedingungen und Vorbehalte gemacht …«
    »Major Smith, ich habe Euch nicht um Eure Meinung gefragt.« Jackman war sehr gereizt. »Ich verzichte auch auf Eure weiteren Darlegungen!« Der Oberst wandte sich wieder Tokei-ihto zu.
    »Nun, wie steht es? Hast du dich entschlossen, abzubitten und zu unterschreiben?«
    »Ich unterschreibe nicht! Meine Krieger und ich verlassen dieses Fort.«
    »Ihr seid vorläufig verhaftet! Gebt eure Waffen ab!« Die drohenden Mündungen von zwanzig Revolvern und Pistolen waren bei diesen Worten schon auf die Indianer gerichtet. Die Dakota rührten sich nicht.
    »Oberst Jackman!« rief Smith. »Seid Ihr ermächtigt, so zu handeln?«
    »Jawohl, das bin ich!«
    »Oberst Jackman, ich habe mich verbürgt, als Mann und als Offizier, daß hier nach Treue und Recht verfahren wird, wenn es sich auch nur um schmutzige Indianer handelt. Ich bitte Euch, noch einmal zu bedenken, was Ihr sprecht! Es geht um die Ehre unserer Nation!«
    »Um die Interessen unserer Nation! – Schweigt, Major Smith!«
    »Ich schweige nicht!« Der Major löste seinen Säbel und warf ihn dem Obersten vor die Füße.
    »Hier … wenn Ihr mir beweist, daß wir Schurken und Verräter sind.«
    Jackman lachte auf.
    »Gebt ihn immerhin ab, Euren Säbel, Major! Ich werde mich sowieso gezwungen sehen, ein Verfahren gegen Euch einzuleiten. Schon einmal habt Ihr diesen Dakota entkommen lassen zum Dank dafür, daß er unsere Munitionskolonne überfiel. Leutnant Roach hat seine Aussagen gemacht. Major … auch Ihr seid in Haft!«
    Der Offizier sank auf einen Stuhl zurück, seine Schultern beugten sich, und er bedeckte das Gesicht mit beiden Händen. Roach wollte noch etwas bemerken. Aber der Dakota sah ihn mit einem Blick an, der auch den gewissenlosen Streber verstummen ließ.
    Ohne ein weiteres Wort begannen die Indianer dann, ihre Waffen auf den großen Tisch zu legen. Tokei-ihto hatte zuerst die Büchse quer über die Karte mit den schwarzen Linien gelegt; nun holte er den Revolver aus dem Gürtel und zuletzt das Messer. Er unterdrückte jeden Blick und jedes Zögern seiner Hände. Jackman hatte ihm aufmerksam und feindselig zugesehen.

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