Der junge Häuptling
Häuptlinge gegeben, die bei Verhandlungen gefangengenommen wurden.«
Der Delaware senkte den Blick und dachte in diesem Augenblick an Red Fox, der die Botschaft Jackmans zu dem Blockhaus gebracht hatte. Ahnte Tokei-ihto etwas von ihm? Chef de Loup ließ die Verdächtigung, die der junge Häuptling ausgesprochen hatte, zunächst absichtlich unbeantwortet. Seine Augen liefen zwischen den Häuptlingen hin und her. Die Männer schienen sich in einem stummen Ringen zu befinden, und Chef de Loup wartete mit Spannung, wie es ausgehen werde. Tatanka-yotanka war einer der berühmten Oberhäuptlinge. Tokei-ihto war am Himmel der Dakota erschienen wie ein Komet. Eben noch fremd und tödlich gehaßt, stand er nun plötzlich in ihrer Mitte, ausgezeichnet durch unerhörte Kriegstaten und klugen Rat, bewundert und zugleich gescheut. Tatanka-yotankas Ruhm und Ansehen schien fest verwurzelt wie ein Baum. Der junge Tokei-ihto, Kriegshäuptling einer kleinen Bande, erkämpfte seine Würde täglich neu, und es durfte keinen Augenblick geben, in dem der Sohn des Geächteten in seiner Kraft und seiner Verwegenheit nachließ oder auch nur nachzulassen schien. Denn unter der Decke lauerte der Haß gegen den, unter dessen Messer der eigene Bruder und viele tapfere Krieger gefallen waren.
Chef de Loup beobachtete einen der stillgebliebenen Gäste, der ihm mit dem Namen Schonkawakon vorgestellt worden war und der eine Art Gehilfe des alten Geheimnismannes zu sein schien, als solcher wohl auch zu dem Festmahl hatte geladen werden müssen. Der Delaware erschrak über die Gehässigkeit, mit der dieser Gast in vermeintlich unbeobachteten Augenblicken den Häuptling betrachtete. Auch die Mienen des alten Hawandschita waren nicht freundlich.
Das Schweigen der Männer dauerte bedrückend lange.
»Tokei-ihto wünscht also nicht …«, nahm Tatankayotanka mit langen gesetzten Worten das Gespräch wieder auf, »… wünscht also nicht, sich zu den Verhandlungen in das Haus des Häuptlings Samuel Smith zu begeben? Die Häuptlinge und Krieger der Dakota halten es für nützlich, vor dem Kriegsbeil die Zunge sprechen zu lassen. Sie werden auch bereit sein, der Klugheit und dem Geschick Tokei-ihtos zu vertrauen, der an Jahren jung, aber an Rat alt ist.«
Der Kriegshäuptling sah fragend nach dem weißhaarigen Zaubermann seines Dorfes. Der aber schwieg abweisend.
»Tokei-ihto ist bereit zu tun, was der Rat der Häuptlinge und Ältesten beschließen wird«, antwortete der Häuptling endlich kurz und schwer.
Weiter schien er das Thema nicht besprechen zu wollen, und die Gäste achteten diesen Wunsch.
Mitternacht war überschritten, als die Männer sich verabschiedeten und das Tipi verließen. Tokei-ihto geleitete mit Hawandschita zusammen Tatanka-yotanka sowie die Gesandten zu dem Zauberzelt hinüber, in dem sie bei dem alten Geheimnismann, dem ersten Würdenträger des Zeltdorfes, zu Gast waren. Als der Häuptling zurückkehrte, fand er außer Chef de Loup und den Frauen auch Tschapa Kraushaar und Tschetansapa noch in seinem Zelt vor. Der Delaware beobachtete, wie sich die Mienen des Häuptlings beim Anblick seiner Freunde erhellten.
Tokei-ihto ging auf Tschapa zu und legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Wie steht es mit meinem Bruder, dem schlauesten im Stamme der Dakota? Hat mein Mahl gereicht, um seinen Magen zu füllen, daß er die hungrigen Tage, die ihm die Frauen seines Zeltes bereiten, wiederum zu überstehen vermag?«
Der spottlustige Hagere lachte, Tschapa Kraushaar aber zog ein säuerliches Gesicht.
»Gespiele meiner Knabenzeit«, erwiderte er dem Häuptling, »warum willst du nach diesem wohltuenden Mahl einen Speer in mein Herz bohren und deine Zunge von jenen Weibern reden lassen, die der Kummer meines Lebens sind?«
»Ich bin erstaunt!« mischte sich der Junggeselle Chef de Loup ein. »Warum hat der schlaue Krieger Frauen in sein Zelt geführt, die ihm nicht behagen? Er mag sie doch wieder fortschicken!«
Der Hagere lächelte wieder. Tschapa aber sah den Delawaren mit dem Blick eines sterbenden Hirsches an.
»In mein Zelt geführt? Oh, Chef de Loup, ich habe überhaupt noch kein Weib in mein Zelt geführt, obwohl mein Auge schon vierundzwanzig Winter gesehen hat. Ich habe alle diese Frauen mit dem Zelt übernommen, in dem ich herangewachsen bin, die alte Mutter, drei Töchter, deren Männer im Kampfe gefallen sind, und drei Töchter dieser Töchter, die noch kein Krieger zum Eheweib begehrte!«
»So gibt es im Zelt Tschapa
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