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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Kraushaars viele Hände, die arbeiten können!« meinte Chef de Loup. Kraushaar betrachtete den Sprecher mißtrauisch.
    »Will Chef de Loup eine fleißige Frau haben? Ich kann sie ihm geben!«
    Der Delaware, der ein Weiberfeind war, winkte ab.
    »Ich würde es dem Häuptling der Delawaren auch nicht raten«, meinte Tschapa Kraushaar ehrlich.
    »Das Schlachtbeil Tokei-ihtos ist scharf, schärfer noch sind die Zungen, die in meinem Zelt herrschen!«
    Der Häuptling hatte sich von seiner Schwester eine Schüssel reichen lassen, in der etwas Rötliches, Schwabbelndes lag, und reichte die Schüssel Tschapa.
    »Hier«, sagte er, »dies zur Buße dafür, daß ich meinen Gast an den Kummer seines Lebens erinnert habe!«
    Die Augen des Kraushaarigen glänzten im scherzenden Gespräch auf. »Oh! Oh! Die Leber der Hunde! Welche Köstlichkeit! Großer Tokei-ihto! Soll ich diese Schüssel allein ausessen?«
    »Das sollst du, Gespiele meiner Knabenzeit!«
    »Wenn du es kannst«, bemerkte der hagere Tschetansapa.
    »Kann? Zwei Hundelebern essen? Ich? Oh, du dürre Pappel!«
    Tschapa spielte den Beleidigten bei dem Zweifel an seiner Magenfestigkeit. Das Rohe-Hundeleber-Essen wurde von den Indianern als eine Art Sport betrieben, und gelegentlich wurde die Probe gemacht, wer am meisten davon vertrage – ein Brauch, der dem Wettkampf der Weißen, sich gegenseitig unter den Tisch zu trinken, in seiner Weise ähnlich war.
    »Ihr werdet sehen, wie schnell …« Tschapa griff mit beiden Händen zu, hielt die Lebern in die Höhe, je eine mit der rechten und mit der linken Hand, öffnete den Mund und ließ seine Augen absichtlich spaßhaft wie an Stielen hervorquellen.
    Da geschah etwas Unerwartetes. Der schwarze Hund fuhr im Sprung empor und schnappte, ehe der kraushaarige Krieger es sich versah, zweimal zu, dann fuhr der Räuber wie der Blitz mit zurückgelegten Ohren aus dem Zelt hinaus. Man hörte von draußen das wütende Knurren, mit dem der Wolfshund die Reste seiner gemästeten Artgenossen zu Boden legte und umschlich. Die Umstehenden brachen in ein fröhliches Lachen aus, in das Kraushaar selbst herzlich einstimmte.
    »Fort!« sagte er und begann immer wieder über sein Mißgeschick zu lachen.
    »Fort! Wirklich – ich habe sie nicht essen können!«
    Tokei-ihtos Schwester warf einen anklagenden Hausfrauenblick auf Tschetansapa. Sie hatte ebenso wie Chef de Loup beobachtet, wie er dem großen Wolfshund Zeichen gab. Auf einen Wink des Häuptlings löste sie jetzt eine weitere Büffelrippe vom Spieß, teilte sie und reichte die Hälfte in der Schüssel dem Biber. Der Schlaue setzte sich noch einmal und schabte sofort das Fleisch vom Knochen, um es in seinem Magen in Sicherheit zu bringen.
    »Oh«, sagte er dabei zwischen dem Kauen. »Tokei-ihto ist und bleibt ein großer Häuptling.«
    Der Herr des Zeltes hatte nicht nur die Alten und Würdigen, sondern auch den appetitreichsten Gast voll zufriedengestellt. Auch die beiden Freunde, Biber und Schwarzfalke, verließen endlich das Tipi. Der Delaware und Tokei-ihto blieben allein zurück. Während der Häuptling sich von seiner Schwester eine Schüssel Fleisch geben ließ, um sich selbst nachträglich zu sättigen, rauchte der Delaware eine Pfeife.
    Aus Tokei-ihtos Zügen war die Heiterkeit wieder geschwunden. Er aß schnell, rauchte auch noch einmal und betrachtete den Delawaren unaufdringlich und doch für diesen bemerkbar, und es schien Chef de Loup, als ob der Dakota ihm noch irgend etwas sagen oder ihn noch irgend etwas fragen wollte.
    Die beiden Männer, die nach dem großen Gastmahl am Feuer beieinander saßen, hatten jahrelang das gleiche Schicksal gehabt. Sie hatten von ihrem Stamm getrennt bei den weißen Männern gedient. Sie waren sich dabei nur ein einziges Mal und nur kurz begegnet; wahrscheinlich wußte der Delaware nicht, daß der zwölfjährige Knabe, den er damals gesehen hatte, jetzt dieser Häuptling war, der ihm gegenübersaß.
    Aber in Tokei-ihto stiegen wieder die Erinnerungen an sein Verbanntenleben auf, über die er zu seinen Stammesbrüdern und Freunden niemals sprach. Es war eine Gemeinsamkeit besonderer und schwerwiegender Art, die ihn mit dem heimatlos gebliebenen Delawaren verband. Er rang mit sich, ob er in diesem Augenblick ein Wort darüber sagen sollte, aber die herbe Zurückhaltung, die sein ganzes Wesen verkrustet hatte, verschloß ihm wieder den Mund.
    Die Frauen deckten das Feuer und bereiteten die Lagerstätten für den Rest der Nacht. Chef de Loup

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