Der Junge im gestreiften Pyjama (German Edition)
den Verdacht, dass es vielleicht keine gute Idee war.
Vielleicht, überlegte er, wollen sie nicht, dass er mein Freund wird, und wenn das der Fall ist, verbieten sie mir womöglich hierherzugehen. Als er durch die Haustür trat und das Fleisch roch, das im Ofen brutzelte, hatte er entschieden, dass es besser war, die ganze Geschichte vorläufig für sich zu behalten und kein Wort darüber zu verlieren. Sie sollte sein Geheimnis bleiben. Das heißt, sein Geheimnis und Schmuels.
Was Eltern und vor allem Schwestern anging, vertrat Bruno die Ansicht, dass alles, was sie nicht wussten, sie auch nicht beunruhigen konnte.
Kapitel dreizehn
Die Weinflasche
Im Lauf der folgenden Wochen wurde Bruno klar, dass er in absehbarer Zukunft nicht nach Berlin heimkehren würde und dass er vergessen konnte, das Geländer in seinem schönen Haus herunterzurutschen oder Karl, Daniel und Martin in nächster Zeit wiederzusehen.
Mit jedem Tag, der verging, gewöhnte er sich an Aus-Wisch und war nicht mehr ganz so unglücklich über sein neues Leben. Immerhin hatte er jetzt jemanden, mit dem er reden konnte. Jeden Nachmittag nach dem Unterricht ging Bruno den langen Weg am Zaun entlang, setzte sich hin und unterhielt sich mit seinem neuen Freund Schmuel, bis es Zeit wurde, nach Hause zu gehen. Diese kleinen Ausflüge entschädigten ihn für die vielen Stunden, in denen er Berlin vermisst hatte.
Eines Nachmittags, als er sich gerade Brot und Käse aus dem Küchenkühlschrank in die Taschen steckte, kam Maria herein und blieb stehen, als sie sah, was er machte.
»Hallo«, sagte Bruno so lässig wie möglich. »Du hast mich vielleicht erschreckt. Ich habe dich nicht hereinkommen hören.«
»Isst du etwa schon wieder?«, fragte Maria und musste lächeln. »Du hast doch zu Mittag gegessen, nicht? Und hast immer noch Hunger?«
»Ein bisschen«, sagte Bruno. »Ich will einen Spaziergang machen und dachte, unterwegs könnte ich was zwischen die Zähne gebrauchen.«
Maria zuckte mit den Schultern und ging zum Herd, wo sie einen Topf Wasser zum Kochen aufsetzte. Auf der Arbeitsfläche daneben lag ein Haufen Kartoffeln und Karotten, die Pavel später am Nachmittag schälen sollte. Bruno wollte gerade gehen, als ihm das Gemüse ins Auge stach und ihm eine Frage einfiel, die ihn schon seit einiger Zeit beschäftigte. Bisher hatte er nicht gewusst, wen er fragen könnte, aber dies schien ihm der ideale Augenblick und Maria die ideale Person.
»Maria«, sagte er. »Darf ich dich etwas fragen?«
Das Dienstmädchen drehte sich um und sah ihn erstaunt an. »Natürlich, Bruno«, sagte sie.
»Und wenn ich dich frage, versprichst du mir, keinem davon zu erzählen?«
Sie kniff misstrauisch die Augen zusammen, nickte aber. »Na schön«, sagte sie. »Was willst du wissen?«
»Es geht um Pavel«, sagte Bruno. »Du kennst ihn doch, oder? Der Mann, der zum Gemüseschälen kommt und uns das Essen am Tisch serviert.«
»Aber ja«, sagte Maria lächelnd. Sie klang erleichtert, dass es nur darum und nicht um etwas Ernstes ging. »Ich kenne Pavel. Wir haben uns oft unterhalten. Warum fragst du nach ihm?«
»Na ja«, sagte Bruno und wählte seine Worte mit Bedacht, damit ihm nichts Falsches herausrutschte. »Weißt du noch, als ich kurz nach unserer Ankunft die Schaukel an der Eiche gebaut habe und dann gestürzt bin und mir das Knie aufgeschnitten habe?«
»Ja«, sagte Maria. »Es tut doch nicht wieder weh, oder?«
»Nein, das nicht«, sagte Bruno. »Aber als ich mich verletzte, war Pavel der einzige Erwachsene in der Nähe, und er hat mich ins Haus gebracht, die Wunde gereinigt und gewaschen und die grüne brennende Flüssigkeit draufgetupft, von der aber vermutlich alles besser wurde, und dann hat er ein Pflaster drübergeklebt.«
»Das würde jeder tun, wenn jemand verletzt ist«, sagte Maria.
»Ich weiß«, fuhr er fort. »Nur hat er mir damals gesagt, dass er eigentlich gar kein Kellner ist.«
Marias Gesicht erstarrte leicht, und einen Augenblick lang sagte sie nichts. Sie schaute zur Seite und leckte sich die Lippen, dann nickte sie. »Verstehe«, sagte sie. »Und was hat er gesagt, ist er wirklich?«
»Er hat gesagt, er ist Arzt«, erwiderte Bruno. »Aber das kann nicht stimmen. Er ist kein Arzt, oder?«
»Nein«, sagte Maria und schüttelte den Kopf. »Nein, er ist kein Arzt. Er ist Kellner.«
»Ich wusste es«, sagte Bruno und war äußerst zufrieden mit sich. »Warum hat er mich dann angelogen? Dafür gibt es keinen Grund.«
»Pavel
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