Der Junge mit dem Herz aus Holz
uns aufmerksam wurde, schluckte er den letzten Bissen hinunter und kam zu uns herübergezottelt, um uns zu begrüßen.
»Wollt ihr hierherziehen?«, erkundigte sich der Esel. Er schien sich zu freuen, dass ein Junge, der ungefähr gleich alt war wie er selbst, bald in seiner Nähe wohnen würde, jemand, der immer mal wieder mit ihm durch die Wiesen in der Umgebung reiten würde. »Ich kann das Dorf wirklich empfehlen. Ii-aaah! Ich wohne mit meiner ganzen Sippschaft hier, seit ich geboren wurde. Wir sind ungefähr zu zwölft, aber ich bin der Beste, wenn man ein bisschen durch die Gegend galoppieren will. Ich laufe am schnellsten. Ich würde dich nie abwerfen. Und außerdem bin ich ein besserer Gesprächspartner. Ii-aaah! Ich nehme nicht an, dass ihr zufällig ein Würstchen dabeihabt, oder?«
»Das ist sehr freundlich, dass du uns deine Hilfe anbietest«, sagte Poppa, ehe ich antworten konnte, und zog mich die Straße entlang. Dann klopfte er ein paarmal ganz schnell hintereinander mit seinem Wanderstock auf den Boden, atmete tief in die Lunge ein und ließ sich auf die Knie nieder, um das Gras und die Hecken am Wegrand zu berühren. Danach führte er eine Reihe von kurzen, aber informativen Gesprächen mit verschiedenen Tieren, die den Weg entlangkamen – was den Esel sehr beunruhigte, das konnte ich ihm ansehen. Er hoffte inständig, dass wir es uns nicht noch anders überlegten.
»Dein Vater möchte ganz sicher sein, bevor er sich entscheidet, stimmt’s?«, fragte er mich und kam ganz dicht heran, um an meinen Taschen zu schnuppern, als würde er etwas suchen.
»Stimmt«, sagte ich. »Er sucht einen Ort, wo wir für immer wohnen können.«
»Dann entscheidet er sich hoffentlich für unser Dorf«, sagte der Esel. »Wenn er das tut, kommst du mich oft besuchen, nicht wahr? Ich bin der Beste – habe ich das schon erwähnt? Und wenn du zu mir kommst, dann bring mir doch bitte immer was zu essen mit. Einen Ausritt darf man nie mit leerem Magen antreten.«
Offenbar fand Poppa das Dorf perfekt für uns, denn als er zum Esel und zu mir zurückkam, nickte er zufrieden mit dem Kopf und schloss mich in die Arme.
»Das ist der ideale Ort für uns«, sagte er. »Ich bin mir ganz sicher. Hier können wir glücklich sein.«
»Ii-aaah!«, rief der Esel, der sich über die Nachricht freute. »Ii-aaah! Ii-aaah!«
Und dann machte Poppa sich unverzüglich daran, für uns ein Haus zu bauen. Mit den eigenen Händen setzte er Stein auf Stein, was keine besonders gute Idee war, denn er konnte zwar hervorragend mit Holz und Schnitzeisen umgehen, aber fürs Bauen war er wesentlich weniger begabt, und so kam es, dass unser Haus etwas gewöhnungsbedürftig aussah, weil die Wände nicht ganz im rechten Winkel zueinander standen und die Fenster in alle Richtungen ragten.
»Macht nichts«, sagte ich, als wir in die Wohnung über dem Spielzeugladen einzogen, um ihn nur ja nicht zu enttäuschen. »Solang es stehen bleibt, ist alles andere egal.«
»Ja, das denke ich auch«, sagte Poppa. »Und nun müssen wir eine Schule für dich suchen.«
»Das muss nicht unbedingt sein, oder?«, sagte ich.
»Doch, natürlich«, erwiderte er. »Du solltest nicht noch mehr Unterricht versäumen – sonst wirst du zu weit hinter den anderen Kindern zurückbleiben, und das möchtest du doch nicht, oder?«
Ich zuckte die Schultern. »Würde mir nichts ausmachen«, murmelte ich. Poppa schaute mich sehr ernst an und schüttelte den Kopf.
»Ich dachte, du willst von jetzt an ein braver Junge sein«, sagte er mit einem enttäuschten Unterton in der Stimme.
»Das will ich doch auch, Poppa«, sagte ich, weil mir wieder einfiel, was ich ihm versprochen hatte. »Tut mir leid. Natürlich gehe ich in die Schule, wenn du es möchtest. Jedenfalls eine Weile.«
Bevor ich es mir anders überlegen konnte, begab sich Poppa zu der Lehrerin hier im Dorf, zu Mrs Shields, und erkundigte sich, ob sie mich in ihre Klasse aufnehmen konnte.
»Selbstverständlich – wir freuen uns immer über neue Schüler«, sagte sie und strahlte uns an. Ihre Wangen wurden richtig rosig, weil Poppa ein gutaussehender Mann war und weil Mr Shields im letzten September abgehauen war, um sich dem Zirkus anzuschließen. »Und wir haben auch noch ein paar freie Plätze. Es ist schön, wenn Ihr Sohn zu uns kommt. Aber möchte nicht auch Ihre Frau mit uns über seine Erziehung sprechen?«, fragte sie, beugte sich vor und wickelte eine Haarsträhne um den Finger. »Ich finde es immer
Weitere Kostenlose Bücher