Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Junge mit dem Herz aus Holz

Der Junge mit dem Herz aus Holz

Titel: Der Junge mit dem Herz aus Holz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
Vom Netzwerk:
eine unglaubliche Unverschämtheit war. Sie warteten bis zur Mittagspause, dann stürzten sie sich alle gemeinsam auf mich, verdrehten mir die Arme und zogen mich an den Haaren. Als ich wieder unter ihnen auftauchte, hatte ich überall Beulen und Kratzer. Für jeden, der mich auf dem Heimweg sah, war ich ein jämmerlicher Anblick. Sogar Jasper Bennett war mit von der Partie gewesen. Seit Toby und seine Freunde ein neues Opfer gefunden hatten, wurde er nämlich nicht mehr gequält, und schon war er mit den anderen über mich hergefallen. Was wieder einmal ein Beweis dafür war, dass man niemandem vertrauen kann, weder in dieser Welt noch in einer anderen.
    Abb. 4 EINE FLASCHE mit Desinfektionsmittel und das, womit man es aufträgt
    »Das wäre nie passiert, wenn du so geblieben wärst, wie du warst«, sagte Poppa am Abend zu mir, als er meine Wunden desinfizierte und verpflasterte, damit sie sich nicht entzündeten. »Du musst besser aufpassen. Du solltest versuchen, mit den anderen Jungen Freundschaft zu schließen, statt dich mit ihnen zu prügeln.«
    Am nächsten Tag ging Poppa zu Mrs Shields, um mit ihr über das Problem zu reden, und sie versprach, dafür zu sorgen, dass die anderen nicht mehr auf mir herumhackten – aber andererseits seien Jungs nun mal Jungs, und eigentlich könne sie nicht besonders viel bewirken. Sie meinte, wenn ich in der Schule besser zurechtkommen wolle, dann müsse ich mich wehren, denn letzten Endes könne mir niemand helfen – nur ich selbst.
    Ehrlich gesagt, Noah Barleywater (sagte der alte Mann), das war kein besonders hilfreicher Ratschlag.

Kapitel 8 Noah und der alte Mann
    »Und warum hat Ihr Vater eine Marionette von Mrs Shields geschnitzt?«, fragte Noah. Er hielt die Puppe hoch und zog an dem Faden. Sofort schoss ein Stück Kreide aus ihrer Hand, flog ganz weit und wirbelte dann wieder zurück in ihre knorrigen alten Finger.
    »Die Puppe war ein Geschenk, glaube ich«, sagte der alte Mann. »Poppa dachte, wenn er nett zu ihr ist, dann hilft sie mir vielleicht. Aber ich glaube, sie vermutete mehr dahinter, was dann wiederum zu einer Reihe von Missverständnissen führte – aber diese Geschichten erzähle ich lieber ein andermal. Wie dem auch sei – Mrs Shields half mir nicht viel. Das war schlimm. Aber wie sich herausstellte, hatte sie recht. Ich musste wirklich selbst auf mich aufpassen. Das gilt wahrscheinlich auch für dich.«
    »Für mich?« Noah schaute ihn erstaunt an. »Wieso sagen Sie das?«
    »Nun ja – läufst du nicht von zu Hause weg, weil du geärgert wirst? Für mich wäre das die logischste Erklärung.«
    Noah schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Ich habe viele Freunde in der Schule. Aber es tut mir sehr leid, dass es bei Ihnen anders war. In unserer Klasse gibt es auch einen Jungen, er heißt Gregory Fish, und der wird die ganze Zeit gehänselt, weil er lispelt.«
    »Das ist nicht sehr nett, oder?«, sagte der alte Mann. »Du bist aber nicht gemein zu ihm, hoffe ich.«
    Noah zuckte die Schultern und schaute weg. »Manchmal schon«, gestand er und wurde ein bisschen rot. »Ich will es aber eigentlich nicht.«
    »Hmmm.« Der alte Mann schnitzte kopfschüttelnd weiter an seinem Stück Holz. Dann hielt er es ins Licht und studierte es aufmerksam. »Und – denkst du, dass du deine Freunde vermissen wirst?«, fragte er.
    »Bis jetzt vermisse ich sie noch nicht«, antwortete Noah, aber er dachte an die Spiele, die sie immer spielten, und an die Abenteuer, die sie gemeinsam erlebten. »Aber ich glaube, irgendwann vermisse ich sie bestimmt. Schließlich sind sie meine Freunde. Richtig gute Freunde sogar.«
    »Aber du bist trotzdem weggelaufen?«
    »Wer sagt, dass ich weglaufe?«, fragte Noah.
    »
DU HAST ES GESAGT
!«, brüllte der Holzbär mit der roten Fliege, richtete sich kurz auf und deutete mit dem Finger auf Noah. Er stach ein paarmal dramatisch in die Luft, dann verfiel er wieder in seinen vorherigen leblosen Zustand, als wäre nichts gewesen. Noah starrte ihn mit offenem Mund an, dann wandte er sich überrascht an den alten Mann.
    »Ist was?«, fragte der alte Mann.
    »Der Bär!«, sagte Noah. »Er hat mich angeschrien.«
    »Ja, er kann manchmal furchtbar unhöflich sein«, sagte der alte Mann. »Ich habe ihn schon öfter verwarnt und ihm gesagt, er soll keine fremden Leute anschreien, aber ich fürchte, das gehört zu seinem Wesen. Ich kann nichts daran ändern. Genauso gut könnte man zu einem Eichhörnchen sagen, es soll im Morgenkonzert der

Weitere Kostenlose Bücher