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Der Junge mit dem Herz aus Holz

Der Junge mit dem Herz aus Holz

Titel: Der Junge mit dem Herz aus Holz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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lasse.«
    Und dieses Versprechen habe ich immerhin gehalten.

Kapitel 18 Noah und der alte Mann
    »Sie haben wirklich Glück, dass Sie einen Vater wie Poppa hatten«, sagte Noah. »Wenn ich so was machen wollte, würden meine Eltern es garantiert nicht erlauben.«
    »Das weißt du nicht«, sagte der alte Mann. »Hast du sie schon mal gefragt?«
    »Äh – nein«, gab Noah zu. »Aber es ist auch noch nie jemand zu uns gekommen und wollte mich für die Olympiamannschaft haben. Ich bin ja auch erst acht.«
    »Und du hast beim Fünfhundert-Meter-Lauf in der Schule nur die Bronzemedaille gewonnen.«
    »Der dritte Platz ist gut!«, protestierte Noah. »Warum sagen Sie ›nur‹?«
    »Wie dem auch sei – ich war bei Mr Quakers Besuch nicht viel älter als du«, sagte der alte Mann mit einem Achselzucken. »Aber es waren andere Zeiten, nehme ich an.«
    Der Junge seufzte und legte die Marionette von Mr Quaker neben den Königssohn, Mr Wickle und Mrs Shields. Die Puppen lagen da und blickten zu ihm hoch und schienen sich alle nicht besonders wohl zu fühlen, so dicht beieinander. Dabei waren sie doch so lang in die Kiste gesperrt gewesen, und Noah hätte eigentlich erwartet, dass sie sich über ein bisschen Freiheit freuen würden, aber sie machten gar keinen glücklichen Eindruck.
    Ohne jede Vorwarnung kam ein Kuckuck durchs offene Fenster hereingeflogen, hielt mitten in der Luft an, genau zwischen Noah und dem alten Mann, schaute von einem zum andern, gab ein kurzes
Kuckuck
von sich, flog dann direkt wieder zum Fenster hinaus und verschwand in einer Wolke.
    »Ach, du liebe Güte«, sagte der alte Mann mit einem Blick auf seine Uhr. »Es kann doch nicht schon so spät sein, oder?«
    »Der Kuckuck!«, rief Noah, sprang auf und streckte den Kopf zum Fenster hinaus, um zu sehen, wohin der Vogel geflogen war. »Macht er das jede Stunde? Die Zeit ansagen, meine ich.«
    »Ja, natürlich«, antwortete der alte Mann, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. »Dieser Kuckuck ist eine Kuckucksuhr. Solche Uhren gibt es bei euch doch auch, oder?«
    »Ja, schon«, sagte Noah. »Wir haben eine, die hängt im Wohnzimmer an der Wand, gleich neben dem Bild von Tante Joan, aber unsere Uhr ist total anders. Ich habe nicht gewusst, dass ein Kuckuck so was auch im echten Leben macht.«
    »Doch – wenn er richtig ausgebildet wird. Er ist eigentlich schon meine zweite Kuckucksuhr.« Sein Gesicht wurde ein bisschen traurig. »Viele Jahre hat sein Vater diese Aufgabe erfüllt, aber dann hatte er eines Tages einen tragischen Unfall, weil ich vergessen habe, das Fenster offen zu lassen.« Er zögerte einen Moment, dann breitete er die Handflächen aus.
»Platsch!«
, sagte er und schüttelte betroffen den Kopf. »Es hat mir furchtbar leidgetan, und ich dachte schon, damit ist unsere Zusammenarbeit mit dieser Familie beendet, aber zum Glück hat der jüngste Sohn verstanden, dass es meinerseits ein Versehen war, und hat mir vergeben. Seither kommt er immer hierher.«
    »Und weckt er Sie morgens auf?«
    »Ja, er versucht es jedenfalls«, sagte der alte Mann. »Aber ich bin meistens schon wach, bevor er kommt. Manchmal frühstücken wir morgens eine Kleinigkeit zusammen, aber es kann passieren, dass er um diese Tageszeit sehr schlechter Laune ist. Ich muss jeden Morgen abschätzen, ob es sich empfiehlt, mit ihm zu reden, oder nicht. Ich stehe immer sehr früh auf, musst du wissen. Seit ich denken kann. Als ich ein Junge war, bin ich schon in aller Frühe laufen gegangen. Das ist jetzt natürlich vorbei. Meine Beine schaffen es nicht mehr. Aber ich kann niemandem einen Vorwurf machen, höchstens mir selbst.«
    »Das ist doch nicht Ihre Schuld«, sagte Noah. »Sie können doch nichts dafür, dass Sie älter werden.«
    »Ja, jetzt ist es zu spät, das stimmt«, sagte der alte Mann und nickte. »Aber ich hätte nicht unbedingt älter werden müssen. Das war ganz allein meine Entscheidung.«
    »Aber wie hätten Sie denn –?«, begann Noah, doch dann merkte er, dass der alte Mann aus dem Fenster schaute.
    »Die Sonne geht bald unter«, sagte er. »Ich weiß noch, wie ich einmal den Sonnenuntergang in der Watson’s Bay in Sydney gesehen habe, und später am Tag bin ich dann bis zur Spitze von Südspanien gelaufen, um sie wieder aufgehen zu sehen.«
    »Da waren Sie aber garantiert sehr müde«, sagte Noah voller Staunen.
    »Ja, das stimmt, ich bin ja auch nur ein Mensch«, sagte der alte Mann und lächelte.
    »Ich habe erst einen

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